Manuel Neuer: Der Patzer von Mister Zuverlässig
Warschau, München - Jetzt hat’s also auch Manuel Neuer erwischt: Mister Zuverlässig, der seit Monaten in der Form seines Lebens war, der bei der WM in Brasilien zur menschlichen Krake mutierte und als schier unüberwindliches Bollwerk einer der Hauptgründe dafür war, dass sich die deutschen Kicker den vierten Stern auf die Brust sticken lassen konnten. Neuer präsentierte sich in Warschau urplötzlich als Fehlerteufel. Dort, wo er schon bei der 1:2-Halbfinalpleite gegen Italien mit Muskelposer Mario Balotelli einen der schwärzesten Momente seiner Karriere erlebt hatte.
Bei der überraschenden und unnötigen 0:2-Pleite in der EM-Qualifikation gegen Polen war es ausgerechnet der Bayern-Keeper, der die Niederlage einleitete. In der 51. Minute wollte er eine Flanke von Lukasz Piszczek in den Strafraum wegfausten, doch der 28-Jährige hatte sich gewaltig verrechnet. Arkadiusz Milik kam weit vor Neuer an den Ball, der unelegant ins Leere segelte, während der Ball sich schon unaufhaltsam Richtung Tor machte.
„Da komme ich mutig raus, aber ich bin zu spät – es war mein Fehler Boateng trifft da keine Schuld“, befand Neuer, „aber wenn man so sieht, wo der Ball einschlägt, hätte ich ihn auch nicht gekriegt, wenn ich drin gebleiben wäre.“ Auch so kann man einen Fauxpas klein- und schönreden. Einen Patzer, der ihm dann auch gehörig Kritik einbrachte.
Ex-Nationalkeeper Jens Lehmann, der jetzt als Experte beim Fernsehsender RTL unter Vertrag steht, erklärte: „Ja, mutig wollte er wohl sein. Aber Manuel hat da schon eine ganz schlechte Ausgangsposition. Wenn man sieht, wo er steht, als er losgeht. Da muss er üben, die Position ist schlecht.“ Lehmanns Lehrauftrag an Neuer.
Der nahm zwar die Schuld auf sich, „der geht auf mich“, doch der neue Kapitän (in Abwesenheit des verletzten Bastian Schweinsteiger) fand gleich noch einen Mitschuldigen. Den Lieblingssündenbock aller Fußballer, den Schiedsrichter. Neuer: „Ich denke, dass Mario Götze vorher gefoult wurde. Auch beim zweiten Tor wurde Durm von Lewandowski gefoult. Ich weiß nicht, ob die Tore so sauber waren.“
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In eine Sauberkeitsdebatte wollte sich Bundestrainer Joachim Löw gar nicht herabbegeben, er widersprach seinem Kapitän: „Ich denke nicht, dass man da ein Foul an Götze geben muss. Und bei der Situation mit Robert Lewandowski, das ist in der Situation eine ganz normale Bewegung eines Stürmers, das muss man nicht pfeifen. Da muss man im Zweikampf etwas geschickter sein.“
Zustimmung auch von RTL-Experte Jens Lehmann. „Der Verteidiger muss den Weg nach innen zustellen, dann kann da wenig passieren.“ Kapitän Neuer, der ja vor dem Spiel verkündet hatte, dass er „gerne mehr Verantwortung übernehmen“ würde, übernahm nicht nur die Verantwortung für das 1:0 der Polen, sondern stimmte die Mannschaft auch gleich auf die nächste Aufgabe ein. Das nächste EM-Qualifikationsspiel am Dienstag in Gelsenkirchen gegen wildgeschossene Iren.
„Wir machen uns überhaupt keine Sorgen; wir wussten ja, dass das Spiel hier in Polen schwer wird. Wir haben ja kein schlechtes Spiel gemacht. Was fehlt, war, dass wir am Anfang die Tore machen. Wir werden das analysieren und dann den Blick nur nach vorn richten“, sagte Neuer in bester „Immer weiter“-Manier des ehemaligen Torwart-Titans Oliver Kahn. „Jetzt haben wir in Gelsenkirchen dann unsere Fans im Rücken, wir sind der Weltmeister.“
Ein Weltmeister, der einen Stolperer auf dem Weg zur EM verkraften muss – und wird.