Manuel Neuer: Der Kapitän der deutschen Nationalelf und seine Tour de France
München - Ein sportliches Ziel hat Manuel Neuer diesen Sommer erreicht. Nicht bei der WM in Russland, sondern in Italien. Seine letzten Urlaubstage vor dem Trainingsbeginn beim FC Bayern nutzte der Welttorhüter für eine Alpenüberquerung – auf dem Rennrad. Mit zwei Freunden ging es von München an den Lago Maggiore. Rund 350 Kilometer, mit Zwischenstopps in Südtirol, in Prad am Stilfser Joch und in Meran.
"Eine wirklich tolle Geschichte", berichtete Neuer, "man muss sich schon etwas vorbereiten. Wir waren zu viert, drei sind gefahren." Der vierte Mann transportierte das Gepäck in einem Begleitfahrzeug. Der Rest war knallhartes Strampeln. "Wir haben eine eher knackige Route gewählt, hatten schon Berge drin wie Alpe d'Huez bei der Tour de France", so Neuer, der den Spaß mit dem Nützlichen verband: "Für mich war es im Prinzip auch eine Vorbereitung auf die Saison in Sachen Grundlagenausdauer: Gut für die Muskulatur, gut für den Fuß."
Manuel Neuer formuliert drastische Selbstanklage
Und vor allem gut für den Kopf – gegen den Frust. Nach nur drei WM-Spielen war in Russland Schluss. Das Vorrunden-Aus arbeitete lange nach im 32-Jährigen. Drei Spiele, zwei Niederlagen, kein einziges "Zu null". Ein blamables Abschneiden. Doch an Neuer, der nach seiner langen Verletzungspause infolge der drei Mittelfußbrüche vor dem Turnier lediglich drei Halbzeiten an Spielpraxis sammeln konnte, hat es nicht gelegen.
Wie kaum ein anderer aus der Nationalmannschaft sprach der Kapitän direkt nach dem 0:2 gegen Südkorea in Kasan Klartext: "Das war erbärmlich. Ich denke, dass von uns allen die Bereitschaft und dieser unbedingte Wille nicht groß genug waren." Er stellte klar, "dass wir es einfach nicht verdient haben, denn in keinem der Spiele hat man gesehen, dass eine deutsche Mannschaft auf dem Platz war, vor der man Respekt hätte haben müssen". Eine drastische Selbstanklage.
Nach dem Rücktritt von Mario Gomez (33) ist der DFB-Kapitän der älteste Spieler im Kader, seine Meinung hat Gewicht – intern und nach außen. Neuer sprach sich dafür aus, die Nationalelf neu zu strukturieren und ihr "wieder ein Gesicht zu verpassen". Man müsse "wieder die Spieler dahaben, die wirklich stolz sind, für die Nationalmannschaft zu spielen und alles dafür geben", sagte Neuer.
Manuel Neuer: Viel Lob von Frankreich-Keeper Lloris
Dabei blieb er allerdings ebenso oberflächlich wie zwei Tage vor dem Duell am Donnerstag in der Nations League mit Weltmeister Frankreich (Anstoß um 20.45 Uhr, live im ZDF). "Wir wollen guten und erfolgreichen Fußball spielen", meinte Neuer seltsam zurückhaltend und irritierend unwissend, als es um einen Artikel über seine Nationalelf im "Spiegel" ging, in dem Spieler-internen Bezeichnungen "Kanaken" und "Kartoffeln" die Runde machten.
Während sich Neuer ahnungslos präsentierte, sagte Thomas Müller, eher das Sprachrohr der Nationalelf: "Natürlich haben wir Spieler, die in ihrem Privatleben ähnliche Interesse haben." Die Frotzeleien hätten aber keine tiefere Bedeutung. Zurück zum Sport.
Neuer hat seine ganz persönliche "Tour de France" hinter sich gegen die "Équipe tricolore". Zwei Partien stechen hervor: Das Viertelfinale der WM 2014 in Brasilien mit dem "Monster Save" aus kurzer Distanz gegen den Schuss von Karim Benzema. Mit seiner riesigen rechten Pranke, die bei ihm von der Handwurzel bis zur Spitze des Mittelfingers genau 22 Zentimeter misst.
In den französischen Medien ist nach dem 1:0 von der "deutschen Mauer" die Rede. "Man muss über ihn kein Wort verlieren, er ist eine internationale Referenz als Torwart", sagte Frankreichs Weltmeister-Torhüter Hugo Lloris, der in München verletzt fehlt.
Bei der EM 2016 im eigenen Land reüssierte Lloris gegen Neuer. Der DFB-Keeper konnte das 2:0 der Franzosen im Halbfinale von Marseille nicht verhindern. Umso größer also dürfte sein Traum vom EM-Titel sein, 2020 bekommt er nach zwei Halbfinal-Niederlagen (2012 mit 1:2 gegen Italien) eine dritte Gelegenheit.