Magath: Mein Freund, der Medizinball
Sollen die Leute reden – Wolfsburgs Trainer Felix Magath kümmert das nicht. Hier erklärt er, wieso er seinem liebsten Utensil treu bleibt und auch Stars bei ihm nichts zu lachen haben.
AZ: Herr Magath, Sie haben in Wolfsburg einen so genannten Hügel des Leidens mit fiesen Steigungen und vielen Treppenstufen errichten lassen. Warum haben Sie eine solche Anlage nicht auch schon in Ihrer Zeit beim FC Bayern bauen lassen? Weil die Bayern-Stars dagegen gemeutert hätten?
FELIX MAGATH: Wir hatten in München an der Säbener Straße einen natürlichen kleinen Hügel, den wir ab und zu auch genutzt haben. Unser neu erstellter Hügel in Wolfsburg ist kein Mediengag, sondern sehr ernst gemeint. Ich habe so etwas in Villarreal in Spanien erlebt, die hatten auf ihrem Trainingsgelände eine kleine ansteigende Bahn. Das hat mir gut gefallen. Als Element in der konditionellen Arbeit ist das sehr vorteilhaft.
Die Ehrfurcht vor Ihren Methoden ist groß. Wie kann es sein, dass Ihre Spieler Sie derzeit alle so loben?
Ich bin auch ganz irritiert. Bisher war es eigentlich so, dass das Training und die konditionelle Arbeit oft nicht so akzeptiert waren bei den Spielern. Deswegen verwundert mich, dass mich die Spieler jetzt alle loben. Ich hoffe, dass die Spieler erkennen, dass sie in der Lage sind, problemlos 90 Minuten hohes Tempo zu gehen und dabei größtenteils verletzungsfrei bleiben. Wenn die Spieler das erkennen, haben sie das richtige Vertrauen in meine Arbeit.
Anders als in München können Sie die Mannschaft jetzt selbst zusammenstellen. Setzen Sie überwiegend auf pflegeleichte Spieler, die brav tun, was der Trainer verlangt?
Wenn ich mit jedem Spieler über jedes Detail meiner Arbeit diskutieren müsste, auch wenn er noch nichts von der Theorie der Trainingslehre und -arbeit gehört hat, bewegen wir uns in die verkehrte Richtung. Wenn jemand fundiert etwas zu einem fußballerischen Element zu sagen hat, dann bin ich der Erste, der in eine Diskussion einsteigt.
Sie möchten bei ihrem Modell mit der Ämterhäufung bleiben? Ist das Ihr Modell für die Zukunft in Wolfsburg?
Es gibt viele Bundesligavereine, bei denen es mit der Trennung zwischen dem Amt des Trainers und Managers Probleme gibt. In der Konstellation hier in Wolfsburg klappt es im Moment sehr gut. Das hat auch mit der Frage zu tun, wie man eine solche Ämterhäufung organisiert und die Verantwortung verteilt. Sonst könnte das auch in England nicht schon seit Jahrzehnten funktionieren. Da hat auch nur einer das Sagen, der nicht nur die Aufstellung bestimmt, sondern auch bestimmt, welche Spieler gekauft werden. Wenn das nur einer macht, hat man eine größere Chance, eine Linie reinzubringen.
Ihr Hügel und Ihre Medizinbälle im Training werden immer noch belächelt. Ärgert Sie das?
Das interessiert mich nicht. Ich mache meine Arbeit ja nicht, um öffentlich gut dazustehen, sondern um möglichst viel Leistung von meinen Spielern zu bekommen. Insofern habe ich von Beginn meiner Tätigkeit an den Medizinball mitgenommen. Das werde ich auch in den nächsten Jahren machen. Komischerweise: Der Medizinball ist gar nicht so verpönt, wie es scheint. Es scheint nur keiner mitzubekommen, dass andere Sportler, die Weltklasse sind, in den letzten Jahren auch schon damit gearbeitet haben. Ein Roger Federer im Tennis zum Beispiel. Genauso der Tobias Angerer im Skilanglauf. Der Medizinball ist also auch in anderen Sportarten als Trainingsmittel durchaus gebräuchlich. Nur im Fußball will man das partout kaputtreden. Zu meiner Arbeit gehört der Medizinball. Und das wird so bleiben.
Sie setzen in Wolfsburg sogar Weltmeister Cristian Zaccardo auf die Bank. Wäre das bei Bayern mit Ribéry auch so leicht möglich?
Das hat mit München wenig zu tun. Das ist ein Problem für jeden Verein. Wenn man einen Spieler hat, der aus Sicht des Trainers nicht immer die Leistung bringt, man ihn aber nicht auf die Bank setzen kann, wird die Mannschaft auf Sicht ein Problem bekommen. Und der Klub sowieso. Wenn man als Trainer eine solche Entscheidung nicht treffen kann, ganz egal wo man ist, hat man eh ein Problem.
Braucht ein Klub wie Ihr VfL nicht große Namen, die sich medial vermarkten lassen?
Wir haben ein intaktes Team. Jetzt können wir auch zusehen, dass wir Spieler holen, die ein bisschen mehr die Show-Ebene bedienen. Mit Marcelinho hatten wir so einen im letzten Jahr. So einen wollen wir in Zukunft auch wieder hierher holen.
Interview: Christian Otto