Löw und die Vertragsfrage

Der einst so populäre Bundestrainer soll so schnell wie möglich bis 2016 verlängern. Für viele kommt das überraschend. Denn die Frage ist doch: Was passiert, wenn die WM in einer Katastrophe endet?
von  Julian Galinski / FC Bayern Basketball

TORSHAVN/FÄRÖER 2009 war Joachim Löw auf dem Höhepunkt seiner Popularität. Bei einer repräsentativen Umfrage nach dem beliebtesten Deutschen landete er auf Platz eins. Auch bei anderen Umfragen – auch jenen, die mit Fußball nichts zu tun hatten – lag er regelmäßig vorne.


Als ein Hotelportal ermittelte, mit welchem Mitglied der Nationalelf man sich am liebsten ein Zimmer teilen würde, belegte der Bundestrainer Platz eins, bei Frauen und Männern vor all seinen Spielern.
Auch bei der Befragung durch eine Partnervermittlung, wer am ehesten zum Seitensprung tauge, wählten die meisten Frauen Löw. Und bei der „ersten Coolness-Umfrage Deutschlands” unter 16- bis 26-Jährigen musste sich der heute 53-Jährige nur George Clooney geschlagen geben.

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Auch wenn Volkes Fußball-Stimme abgefragt wurde, sah Löw bisher meist gut aus. Er ist noch der richtige Bundestrainer und er wäre auch der richtige Mann für Real Madrid und den FC Bayern gewesen. Doch seine Werte sinken, die Kritik und das Murren werden immer größer.


Kurios deshalb: Löw verhandelt mit dem DFB gerade über einen Vertrag für die Zeit nach der WM 2014 in Brasilien. Welche Rückendeckung er im Lande hat und auch in ihm bisher gnadenlos den Rücken stärkenden Verband, ja auch welchen Schwung und welche Lust Löw noch besitzt, wird sich einzig und allein nach den maximal sieben WM-Endrunden-Spielen entscheiden.
Unabhängig von seiner Beliebtheit als Mensch sehen die Fußball-Fans, dass Löw der Vater dieser so wunderbar offensiv spielenden Mannschaft ist. Er hat in Qualität und Breite ungleich bessere Voraussetzungen im Kader als beispielsweise noch Teamchef Rudi Völler 2004. Und er hat diese genutzt, hat eine Mannschaft geformt, die nicht nur in den Augen ihres Kapitäns Philipp Lahm „teilweise begeistert hat und viel getan hat für den Fußball in Deutschland und die Euphorie in diesem Lande”.

Die aber auch selbst mit diesen Voraussetzungen und diesen Fähigkeiten immer noch auf den ersten Titel seit 1996 wartet. Vor allem das Halbfinal-Aus gegen Italien (1:2) bei der EM 2012 in Polen und der Ukraine kreideten die meisten Kritiker Löw an, der urplötzlich sein System nach dem Gegner ausgerichtet und sich schlicht und ergreifend verzockt hatte. Der Schwarzwälder zog sich wochenlang zurück. Auf der Suche nach den Fehlern, ein Stück weit aber auch zur Verarbeitung der Kränkung.


Löw kam zurück, voller Tatendrang und Erfolgshunger. Doch das Bild über ihn hatte sich ein Stück weit gewandelt. Mehr und mehr wurde ihm auch der Umgang mit von ihm nicht gewollten Spielern vorgeworfen, zumal die Liste immer länger wurde: Kevin Kuranyi, Michael Ballack, Torsten Frings, Stefan Kießling oder Roman Weidenfeller standen oder stehen darauf. Höchst unterschiedliche Charaktere aus verschiedenen Klubs, was Löw Kritik in vielen verschiedenen Fan-Lagern bescherte.


Weil der Bundestrainer nie in erster Linie beliebt sein wollte, hatte er eben auch unpopuläre Entscheidungen getroffen – oder sie schlicht und einfach ausgesessen. Dieses Vorgehen, die vielen Gegentore und vor allem das regelmäßige Scheitern kurz vor dem Ziel steigerte in der Bevölkerung die Bedenken, ob der beliebte Löw auch wirklich der Trainer ist, der Deutschland endlich wieder zum Titel führen kann.


Kritik und Lob berühren Löw, der nach einigen Hochs und Tiefs in seiner Trainer-Laufbahn aber nur zu gut weiß, wie schnell das Blatt sich wenden kann. Dass er diesen Vertrag in den nächsten Tagen oder Wochen unterschreiben wird, gilt nur als Formsache. Doch klar ist auch: Dieser Vertrag kann von beiden Seiten nicht mehr als eine Absichtserklärung sein. Denn Löws Zukunft entscheidet sich am Ende erst durch das Abschneiden bei der WM.

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