Löw stellt die EM-Vorbereitung wieder auf Null

Bundestrainer Jogi Löw stellt die EM-Vorbereitung wieder auf Null – Nach dem 3:5 gegen die Schweiz müssen alle Pläne auf den Prüfstand – Der Widersinn: Geschlagene Bayern müssen nun die anderen aufrichten.
Basel/Tourrettes - Die Hauptdarsteller des Desasters entschwanden durch die Lüfte. Der Tross der deutschen Nationalspieler brach am Pfingstsonntag früh mit Hubschraubern vom Hotel „Terre Blanche“ auf in den rund 70 Kilometer entfernten Wahnsinn des Formel-1-ZirkusZ nach Monaco. Bundestrainer Joachim Löw blieb mit seinem Trainerteam in der ruhigen Waldidylle in Tourrettes zurück, um den Ist-Zustand seiner Mannschaft genau zu überprüfen.
Mit dem 3:5 (1:2) gegen die Schweiz hatte die deutsche Nationalmannschaft 14 Stunden zuvor, zwei Wochen vor ihrem ersten EM-Gruppenspiel gegen Portugal, einen mächtigen Schuss vor den Bug erhalten, der länger nachhallen wird. Mit der ersten Niederlage gegen die Schweiz seit 56 Jahren begann Löw, alle seine Pläne für die Europameisterschaft noch einmal zu checken und die Vorbereitung wieder auf Null zu stellen.
Gegen 23.00 Uhr am Samstag hatte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) endlich sein komplettes Team zusammen, die acht Spieler des FC Bayern waren kurz vor den 19 Verlierern aus Basel in Südfrankreich eingetroffen. Es spielten sich Szenen mit großem Widersinn ab: Die Münchner, die doch selbst nach ihrer Final-Niederlage in der Champions League von den anderen aufgefangen werden sollten, müssen nun die großen Rest der DFB-Truppe aus der Lethargie und Krisenstimmung reißen.
„Mit den Bayern-Spielern gehen wir zur Normalität über. Ab Montag beginnt die Vorbereitung auf die EM. Ich werde mit keinem Spieler über das verlorene Spiel sprechen“, sagte Löw. Er hatte sich seine Verteidigungslinie in Basel sofort zurecht gelegt. Die erst neunte Niederlage im 51. Duell gegen die Eidgenossen, zu denen er selbst ein inniges Verhältnis pflegt, beschönigte der Bundestrainer nicht. „Viele Dinge haben nicht gepasst. Die gesamte Defensivleistung war nicht gerade berauschend“, gestand der 52-Jährige, um dem bedenklichen Geschehen im Sankt-Jakobs-Park umgehend jeden dramatische Ansatz zu nehmen.
„Aber es macht mir keine großen Sorgen, weil ich weiß, dass wir uns bis zur EM eindeutig verbessern werden.“ Tatsächlich wirkte die Partie aus deutscher Sicht nicht einmal wie ein ernsthafter Test, sondern wie irgendein beliebiges Trainingsspiel.
14 Tage Training für die KatzZ?
Ohne jede Rücksicht auf diesen Vergleich mit der Schweiz war das harte EM-Training fortgeführt worden. Nach zwei Wochen ständigen Kleinfeldfußballs klappte auf dem Platz mit Normalgröße mit schweren Beinen und müden Köpfen gar nichts mehr. Die Müdigkeit war erklärbar, aber dass es nach 14 Tagen Training mit vielen taktischen Übungen in der Abwehr krass durcheinander und im Mittelfeld sehr konfus zuging, war schwer nachzuvollziehen. Von außen wirkte es, als wäre Löws gesamte Arbeit mit dem zersplitterten Team seit dem 11. Mai für die Katz gewesen.
Jeder Beteiligte war hochgradig geständig. „So ein Spiel soll und darf nie sein. Bei allen Gegentoren waren klare Fehler zu erkennen. Die müssen wir abstellen“, sagte Mats Hummels. „Die beste Erkenntnis des Tages ist, dass wir noch ein bisschen Zeit bis zur EM haben. Man hat gesehen, dass noch nicht alles läuft“, erklärte Per Mertesacker, der erstmals nach drei Monaten und einer schweren Verletzung wieder spielte. „So eine Leistung ist nicht erklärbar. Wir sollten nicht nach Ausreden suchen. Das ist reine Kopfsache“, sagte Miroslav Klose, der als Rückenpatient der letzten Tage keinen Ball richtig traf.
Sami Khedira zog das Fazit, womit er wahrscheinlich aber einigen kritischen Medien-Urteilen vorgreifen wollte: „Jetzt sind wir vom EM-Favoriten zum Außenseiter geworden.“ Nur der eingewechselte Marco Reus, der nach Hummels und Andre Schürrle den dritten deutschen Treffer erzielte, bot eine ansatzweise normale Leistung. Aber Trost für alle seine geschlagenen Bundesliga-Kollegen hatte der beste Spieler des Tages parat. „Ich kenne das selber, wie es Spielern geht, die mit schweren Beinen aus dem Trainingslager kommen“, sagte Eren Derdiyok, der dreifache Torschütze der Gastgeber, der bisher für Leverkusen spielte.
„Die Deutschen sollten sich keinen Kopf daraus machen. Sie sind für mich weiter mit Spanien der Favorit bei der EM“, erklärte der künftige Hoffenheimer. Einige, wie der Debütant im DFB-Tor namens Marc-Andre ter Stegen, werden aber eher einen dicken Kopf haben, wenn sie an Basel denken. Für den 20-Jährigen wurde die Partie zum Debakel. Löw sprach offen die Fehler des Gladbachers an. Seine starken Trainingseindrücke spielten keine Rolle mehr.
Löw gab klare Fingerzeige, wer am Dienstag aus dem Kader fallen könnte, wenn die 23 EM-Spieler benannt werden müssen: Julian Draxler, der zweite Neuling, trug die Nummer 24, Sven Bender die 25, Lars Bender die 26 und ter Stegen die 27.