Löw: "Man kann in die Geschichte eingehen"
KAPSTADT - Was Bundestrainer Joachim Löw von den Gruppen-Gegnern hält - und warum er sich auf die WM in Südafrika freut.
AZ: Normalerweise hat Deutschland Losglück. Wie bewerten Sie die Auslosung der WM 2010? Wie stufen Sie die Gegner der deutschen Nationalmannschaft ein?
JOACHIM LÖW: Also von Dusel kann man nicht sprechen, wenn man Ghana, Serbien und Australien in der Gruppe hat. Das ist schon ein hartes Auftaktprogramm in der Gruppenphase. Speziell Serbien darf nicht unterschätzt werden, und mit Ghana haben wir eine der besten afrikanischen Mannschaften bekommen. Australien ist ein physisch starker Gegner. Die Gruppe ist schwierig, aber machbar.
Wer ist für Sie der stärkste Konkurrent auf den ersten Platz in der Gruppe D?
Wichtig ist es, gegen Australien im ersten Spiel einen Sieg einzufahren und Selbstvertrauen zu tanken. Es ist schon eine heikle Aufgabe, die wir zu bewältigen haben. Aber wir Freude uns drauf.
Sie haben mit Serbien auch einen Brocken in der Vorrunde aus dem Weg zu räumen. Hätten Sie es sich gewünscht, mit leichteren Gegnern in die WM einzusteigen?
Nein, es ist gut, gleich vom Start weg mit der allerhöchsten Konzentration die Dinge angehen zu müssen. Wir wissen, was wir nun vor uns haben. Das wird auch die Konzentration in der Vorbereitungszeit von Anfang an hochhalten.
Sie müssen in der Vorrunde nach Durban und Port Elizabeth fliegen anstatt mit dem Bus in der Nähe ihres Quartiers einen Spielort anzufahren. Ist das ein Vor- oder Nachteil?
Es wäre besser gewesen, wir wären ein anderer Gruppenkopf geworden, wo wir zwei Spiele in Johannesburg und Pretoria hätten machen können. Aber es war klar, dass jede Mannschaft bei der WM auch reisen muss. Wir werden uns drauf einstellen und nehmen es, wie es kommt.
Erinnern Sie sich noch an das Spiel beim Confed-Cup 2005 in Frankfurt gegen Australien, als Sie als Co-Trainer von Jürgen Klinsmann dabei waren? Wie stufen Sie die Australier jetzt ein?
Sie haben sich sehr sicher qualifiziert, nachdem sie in der Qualifikation in den asiatischen Verband gewechselt sind. Die Mannschaft ist körperlich stark und hat gute Spieler, von denen einige in der Premier League spielen. Das Auftaktspiel beim Confed-Cup 2005 war mit dem 4:3 sehr torreich und sehr unterhaltsam mit sehr vielen offensiven Szenen. Für die Zuschauer war die Partie toll, aber man muss sagen, es gab auch viele Fehler. Aber das Wichtigste war, dass wir gewonnen haben. Das wollen wir bei der WM wiederholen. Wir werden uns in der Vorbereitung auf Australien einstellen und die Mannschaft analysieren.
Die beiden anderen Gegner, Serbien und Ghana, haben serbische Trainer. Hatten Sie mit ihnen schon einen Meinungsaustausch?
Nach der Auslosung hat es den noch nicht gegeben. Radomir Antic (Trainer von Serbien, Anm.d.Red.) kenne ich. Den habe ich einmal vor einigen Jahren besucht zur Hospitation, als er beim FC Barcelona Trainer war. Er hat sehr viel Erfahrung. Seine Mannschaft hat mich in der Qualifikation absolut überzeugt, sie war fußballerisch sehr stark und hat Frankreich und Rumänien hinter sich gelassen.
Was sagen Sie zu Ghana?
Die Spieler aus Afrika haben eine andere Mentalität, eine andere Haltung zum Fußball. Es ist eben ein Unterschied zwischen Spielern aus Europa, Afrika oder Asien. Ghana hat 2006 ein sehr gutes Turnier gespielt und ist erst gegen Brasilien ausgeschieden. Ich habe schon öfter gesagt, dass mit diesem Team bei der WM zu rechnen, weil es zu den afrikanischen Mannschaften gehört, die in den letzten zehn Jahren taktisch enorm viel gelernt haben. Alle Spieler stehen bei europäischen Vereinen unter Vertrag. Physisch haben die Afrikaner vielleicht durch ihre Genetik allen anderen etwas voraus.
Sie könnten sich einen Tipp holen bei Michael Ballack holen, der beim FC Chelsea mit Michel Essien zusammenspielt.
Ihn muss ich mal anrufen, was er sagen kann. Michel Essien ist natürlich der Superstar bei Ghana.
Rechnen Sie damit, dass Ghana und Serbien wegen ihrer serbischen Trainer eine vergleichbare Spielart haben?
Möglicherweise gibt es schon Ähnlichkeiten, weil sie beide serbische Trainer haben und eine vergleichbare Spielweise pflegen. Wichtiger ist aber, dass beide Mannschaften Weltklassespieler haben. Ghana hat Essien und andere, bei Serbien ist es zum Beispiel Nemanja Vidic von Manchester United. Den früheren Berliner Marco Pantelic, Gojko Kacar, der noch bei Hertha BSC ist, und den Stuttgarter Zdravko Kuzmanovic kennen wir aus der Bundesliga.
Gibt es nun bei Ihnen schon Gedankenspiele oder Planungen für die drei Testspielgegner vor der WM?
Es gab schon einige Anfragen, gegen wen wir spielen könnten. Das müssen wir nun wohl verändern. Wir werden uns nun schnell überlegen, welche Mannschaften in Frage kommen. Wir hatten den Gedanken, ein Spiel gegen Chile zu machen, das ja ausgefallen war. Nun müssen wir überlegen, ob das noch passt, weil wir mit Ghana auf eine afrikanische und mit Serbien auf eine spielstarke europäische Mannschaft treffen. Wir werden versuchen, unsere Testspielgegner genau anzupassen, dass wir uns in der Vorbereitung auf die Gangart der WM-Gegner einstellen.
Was sagen Sie zu den anderen Gruppen, zur Auslosung insgesamt?
Ich finde, die Gruppenbesetzung ist relativ ausgeglichen. Von manchen Gruppen kann man vielleicht sagen, dass sie etwas einfacher sind. Die mit Brasilien ist sicher eine ganz schwierige. Aber so ist das mit den Auslosungen. Wir sind froh, nun Bescheid zu wissen und können konkret planen.
Ist der Eindruck richtig, dass Sie nach dieser WM-Auslosung richtig zufrieden sind?
Die Spannung ist da, wir wissen nun Bescheid. Wir können endlich einmal anfangen konkret zu sein. Wir haben keinen Anlass uns zu verstecken. Wir haben viel Qualität, die Spieler sind motiviert. Deswegen Freude ich mich auf Südafrika. Die großen Turniere sind absolute Höhepunkte in der ganzen Welt. Man kann in die Geschichte eingehen.
Interview: Gregor Derichs