Löw: "Ich vertraue den Spielern, die hier sind"
Lille - Die streikenden Piloten konnten den Weltmeister schon mal nicht aufhalten. Zahlreiche Flüge fielen in Frankreich am Samstag aus, aber die deutsche Fußball-Nationalmannschaft landete in ihrer schwarzen Maschine am Mittag pünktlich in Lille. Endlich geht es los!
"Ich freue mich wahnsinnig, wenn es losgeht", sagte Bundestrainer Joachim Löw 27 Stunden vor dem EM-Auftakt gegen die Ukraine am Sonntag (21.00/ARD und AZ-Liveticker): "Bei mir steigt die Vorfreude stündlich. Und ich glaube, uns allen geht es so."
Löw selbst wird zwei persönliche Rekorde aufstellen - doch vor allem will er sofort ein starkes Zeichen setzen. Negative Gedanken lässt Löw, der als erster Trainer überhaupt seine dritte EURO in Folge und sein zwölftes Endrundenspiel absolvieren wird, trotz der Verletzungsprobleme in der Abwehr nicht zu.
Druck lässt Löw kalt
"Die Erwartungen sind groß, aber wir können mit Druck umgehen. Wir sind mit solchen Situationen vertraut", sagte Löw bestimmt. Er wolle angesichts der personellen Situation sowieso "nicht jammern, sondern die beste Lösung finden, um ein erfolgreiches Turnier zu spielen. Ich vertraue den Spielern, die hier sind, absolut." Auf den überraschend nach Lille mitgereisten Mats Hummels hofft Löw für das zweite Gruppenspiel am Donnerstag gegen Polen, dessen potenzieller Ersatz Antonio Rüdiger musste abreisen, auch Kapitän Bastian Schweinsteiger ist noch nicht fit für die Startelf.
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Auch Teammanager Oliver Bierhoff spürt dennoch eine große Entschlossenheit. "Es wurde genug diskutiert und analysiert. Jetzt sind wir alle froh, wenn wir endlich zur Sache kommen können", berichtete er. Die Bilanz gibt Anlass zu Optimismus: In bisher fünf Spielen gegen die Ukraine ist das EM-Team ebenso noch ohne Niederlage wie in elf Auftaktspielen bei Europameisterschaften.
Fernseher, um EM-Fieber zu wecken
Um das EM-Fieber zu befeuern, wurden im Teamquartier Ermitage laut Bierhoff "an verschiedenen Stellen Fernseher aufgestellt". Am Freitagabend schaute das Team dort gemeinsam das mühsame 2:1 des potenziellen Halbfinalgegners Frankreich gegen Rumänien.
Dann beginnt zweieinhalb Wochen nach der ersten Zusammenkunft zum Trainingslager in Ascona die heiße Phase des Turniers, an dessen Ende Bierhoff nicht mehr ganz hinten in den deutschen EM-Büchern stehen will. Dass er 1996 mit seinem Golden Goal gegen Tschechien im Finale das bis heute letzte deutsche Endspieltor bei einer EM erzielte, sei "natürlich eine Ehre, auf die ich stolz bin", erklärte der 48-Jährige: "Aber irgendwann nach 20 Jahren reicht es dann auch. Es wird Zeit, dass wir eine neue Geschichte schreiben."
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Als besondere Motivation wird Löw im Gegensatz zum Beispiel zu Englands Coach Roy Hodgson Besuche der Spielerfrauen und Freundinnen erlauben. "Wir werden auf jeden Fall Besuchszeiten für die Mädels einrichten", versicherte Co-Trainer Thomas Schneider: "Da heben wir uns von den anderen ab."
Özil hat Platz sicher
An ihren sportlichen Fähigkeiten zweifeln die Spieler sowieso nicht. "Im Vergleich zur WM vor zwei Jahren haben wir jetzt einen noch breiteren, tieferen Kader bei annähernd gleicher Qualität. So gesehen sind wir meiner Meinung nach schon stärker geworden", erklärte Thomas Müller, schränkte aber zugleich ein: "Das heißt aber nicht, dass man deswegen auch Spiele gewinnt."
In Bezug auf die Aufstellung gibt es noch vier Fragezeichen. Unklar ist fast schon traditionell die Position des Rechtsverteidigers, zudem werden ein Nebenmann für Jerome Boateng in der Innenverteidigung und ein linker Flügelspieler gesucht. Schließlich stellt sich für Löw auch die Frage: richtige oder falsche Neun?
Wahrscheinlich wird Benedikt Höwedes hinten rechts beginnen, Shkodran Mustafi als Rüdiger-Hummels-Ersatz innen, Julian Draxler vorne links und Mario Götze ganz vorne. Auch einen gemeinsamen Einsatz von Mario Götze und Mario Gomez schloss er nicht aus. Keinesfalls werde dafür Mesut Özil weichen müssen. Wer Schweinsteiger als Kapitän ersetzen wird, hat der Bundestrainer entschieden, er wird es der Mannschaft aber erst am Sonntag mitteilen. Kandidaten sind Torhüter Manuel Neuer und Mittelfeldspieler Sami Khedira.