Löw: „Ich habe keine Erklärung“

Bundestrainer Joachim Löw kann das unfassbare Remis seiner Mannschaft nicht begreifen – und findet kaum Worte. „Das sah aus, als würde er zurücktreten“, sagt Manni Schwabl.
von  az

BERLIN Joachim Löw sah nicht gut aus. Und das lag nicht an seiner Erkältung. Wie ein Gespenst wirkte der Trainer der Nationalmannschaft, als er zur Analyserunde mit Mehmet Scholl und Reinhold Beckmann ins ARD-Studio kam: konsterniert, verwirrt, geschwächt, kaum fähig, die Stimme zur Analyse zu erheben. Joachim Löw war fertig mit der Welt, mit dieser verrückten Fußballwelt, in der 60 Minuten Weltklasse-Fußball nicht zum Sieg reichen.

Wenige Minuten zuvor hatte seine Mannschaft eine 4:0-Führung verspielt und musste sich mit einem Unentschieden begnügen. Löw stammelte kaum hörbar: „So was habe ich auch noch nie erlebt.“ Löw ist 52. Wie ferngesteuert wirkte er, als er begann, von seinem 88. Länderspiel (60 Siege, 14 Niederlagen, 14 Remis) als Bundestrainer zu sprechen:

„Ganz ehrlich, ich kann das jetzt nicht erklären. Wir haben 60 Minuten alles im Griff gehabt, das Spiel dominiert. Dass wir uns so aus dem Rhythmus bringen lassen, hätte ich auch nicht für möglich gehalten. Wir haben alles vermissen lassen. Da waren dann Nachlässigkeiten, da war nicht mehr diese Disziplin. Wahrscheinlich begann das Problem irgendwo im Kopf. Das ist kein einzelner, der das verbockt hat. Aber einen 4:0-Vorsprung aus der Hand zu geben, ist normalerweise nicht möglich.“

Schweden und Deutsche haben es diesmal möglich gemacht. Weil die Schweden nicht einsehen wollten, dass ein Spiel nach einem 0:4 nach einer Stunde im Grunde verloren ist. Und die Deutschen zu sehr dachten, sie hätten schon gewonnen. Es ist dies ein Ergebnis, das den Bundestrainer sicherlich noch lange beschäftigen wird. Er sagte: „Das ist ein Spiel, aus dem man für die Zukunft, für alle Zeiten etwas mitnehmen kann, etwas lernen.“

Experte Mehmet Scholl neben ihm sah das genauso und konnte sich immer wieder an diesem irren 4:4 berauschen („Ein wunderbares Spiel!“), was Löw mit einem eher abwesenden Blick quittierte. Viele hundert Kilometer entfernt im Schwabinger Vereinsheim sagte derweil Ex-Nationalspieler Manfred Schwabl bei „Waldis AZ-Club“: „Das Geschau vom Bundestrainer macht mir Sorgen. Das sah aus, als würde er zurücktreten.“

Dazu kam es in Berlin nicht. Löw berichtete zwar von einer verständlicherweise miesen Stimmung in der Kabine („In der Kabine herrscht Totenstille. Alle liegen auf den Bänken oder der Massagebank und sind total sprachlos“), fing sich dann aber im Verlauf des Gesprächs mit Beckmann und Scholl.

Am Ende wurde er dann sogar fast wieder kämpferisch: „Wir sind jetzt wahnsinnig enttäuscht, aber das wird uns nicht aus der Bahn werfen.“ Durch das Remis verschenkte Löws Auswahl zudem den 14. Sieg in Folge in einem Qualifikationsspiel. Das nächste Punktsspiel steht erst im März wieder an: gegen Kasachstan. Und wehe, es steht dann wieder 4:0!

 

 

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