Löw: Högschd mächtig!

Joachim Löw lässt seine Zukunft weiter offen. Doch der Bundestrainer, derzeit auf dem Höhepunkt seiner Popularität, hat bei den Gesprächen mit dem DFB alle Trümpfe in der Hand.
CENTURION Und plötzlich waren sie im Finale. Die Vorzeichen und Prognosen waren ungünstig bis vernichtend gewesen. Doch Spiel für Spiel zogen sie weiter. Mal glücklich, mal überzeugend. „Man kommt dann in so einen Fluss rein, einen Sog, der dich und das Team ins Finale zieht“, erinnert sich Rudi Völler.
Vor acht Jahren war das, bei der WM 2002 in Asien. „Ich hoffe, dass es der deutschen Elf jetzt ähnlich geht", sagte der Sportdirektor von Bayer Leverkusen bei einem Besuch im DFB-Quartier und fügte mit seinem berühmten Rudi-Völler-Schmunzeln an: „Eins muss ich schon sagen: Jogi, hat's gut. Er hat wirklich tolle Spieler zur Verfügung."
Doch hat Völler Recht? Hat es Löw wirklich so gut? Ist seine Situation so easy, wie man es nach dem weltweit beachteten 4:0 zum WM-Auftakt gegen Australien meinen sollte? Löw ist nur noch Trainer auf Zeit, sein Vertrag endet mit dem Turnier. Noch zwei Spiele (nein, an ein Vorrunden-Aus glaubt keiner mehr)? Noch drei, vier, fünf? Gar sechs inklusive Finale?
Im Februar hatten sich Löw und Manager Oliver Bierhoff nicht mit dem Verband über eine Weiterbeschäftigung einigen können, dabei hatte DFB-Präsident Theo Zwanziger zuvor nur von einer reinen Formsache gesprochen. Aus dem Kreise des DFB-Präsidiums waren damals interne Vertragsmodalitäten und Zahlen in die Öffentlichkeit getragen worden. Es kam zum Zerwürfnis, man habe sich jedoch ausgesprochen – behaupten jedenfalls beide Parteien.
Wer Löw und Zwnaziger auf der gemeinsamen Pressekonferenz erlebt hat, musste feststellen, dass sie zwar nebeneinander saßen, aber nicht beieinander waren. Löw blickte ins Leere, als er sich für die schmeichelnden Lobhudeleien („Da ist eine junge Mannschaft unter einem Bundestrainer zusammengewachsen, den ich sehr schätze"). Denn Löw weiß, er hat alle Trümpfe in der Hand. Er ist – Stand heute – so erfolgreich wie nie. Er ist so beliebt wie nie. Er ist so aussichtsreich wie nie. Er ist so mächtig wie nie, „högschd" mächtig, wie Löw als Badener sagen würde.
Löws Sympathiewerte übertreffen sogar die von Rudi Völler. Im 50. Länderspiel gelang Löw sein 35. Sieg, kein Bundestrainer hat eine bessere Quote. Und kein anderes Team hat bei dieser WM bisher solch einen Eindruck hinterlassen, das Halbfinale ist ein realistisches Ziel.
Und nach der WM? Es spricht einiges dafür, als Bundestrainer zu verlängern. Eine so talentierte, entwicklungsfähige Mannschaft wird Löw kaum wieder bekommen. Hört man den 50-Jährigen über seine Mannschaft reden, kann man sich das baldige Ende der Liaison auch kaum vorstellen. „Es gibt keinerlei Grund, an Löw zu zweifeln", sagte Völler der AZ, „er hat schon seinen Teil zur erfolgreichen WM 2006 beigetragen, wurde bei der EM 2008 Vize-Europameister, macht das hervorragend. Es wäre schön, wenn er bleibt. Gerade im Moment, da er mit einer Goldenen Generation arbeiten kann und die Jungs ihm vertrauen. Es wäre ja schade, wenn ein anderer dann die Früchte seiner Arbeit ernten würde."
Dass er nach Ende der WM, wenn alle Profiklubs ihre Vorbereitung längst begonnen haben, bei einem Top-Klub ad hoc einsteigen könnte, hat Löw ausgeschlossen. Und Urlaub machen? Sein Sponsor „tui" wüsste sicher ein paar Destinationen, bei Drehs hat Löw bewiesen, dass er hängematten-kompatibel ist. Er kann relaxen, so oder so. Eine Vertragsverlängerung würde ihm auch eine hübsche Gehaltsaufbesserung bringen.
Patrik Strasser