Löw: "Als Trainer stehst du an der Wand"

Joachim Löw sorgt sich vor der WM: „Deutschland hat im Moment nur sieben, acht Spieler, die in Topform sind.“ Schweinsteiger, Klose und Gomez schwächeln. Kahn: „Die Situation ist kritisch“.
fil |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News

München - Hach, was waren das noch für Zeiten, als die Nationalmannschaft als stilbildend galt, als Bundestrainer Joachim Löw vor großen Turnieren als coolste Socke östlich des Rheins gefeiert wurde, fast alle großen Trainer neidisch auf das unermesslich scheinende Reservoir an jungen, kreativen und gesunden Mittelfeldspielern blickte und die deutschen Fans berechtigterweise vor dem Turnier die größten Erwartungen in die Mannschaft setzte, die dann doch zuverlässig im Halbfinale ausschied.

Am Donnerstag wird Bundestrainer Joachim Löw seinen Kader für die WM in Brasilien vorstellen. Deutschland gilt zwar weltweit durchaus noch als Favorit, doch hier ist von WM-Euphorie noch nicht viel zu spüren. Auch Löw wirkt eher desillusioniert und schicksalsergeben vor seinem wahrscheinlich letzten Turnier als Bundestrainer. Ihm werde zwar immer wieder gesagt, dass sein Team die beste Mannschaft sei, „die jemals für Deutschland spielte“, sagte Löw dem „Stern“. Aber, so fragt Löw: Wer von seinen Spielern sei denn eigentlich gerade in Topform? Die Antwort: „Klose, Khedira, Gomez, Gündogan, Schweinsteiger – alles Spieler, die zu den tragenden Säulen bei uns gehören, aber ihnen allen fehlt ein guter Spielrhythmus.“ Deutschland habe „im Moment nur sieben, acht Spieler, die in Topform sind.“ Löw gab zu, „die gesamte Situation“ bereite ihm Kopfzerbrechen“ – und das zur Unzeit.

Bei den WM-Titelgewinnen 1954, 1974 und 1990 seien anders als heute stets alle Leistungsträger im Zenit ihres Könnens und ihrer Kraft gewesen. Und heute? DFB-Rekordtorjäger Miroslav Klose gilt aufgrund seiner Erfahrung und Verdienste zwar als gesetzt, doch auch der Stürmer von Lazio Rom wurde durch diverse Verletzungen in dieser Saison immer wieder zurückgeworfen. Am Montagabend hatte der 35-Jährige nach fünfwöchiger Pause wegen einer Oberschenkelverletzung sein Kurz-Comeback im Spiel gegen Hellas Verona (3:3) gefeiert. Bei Mario Gomez ist nicht mal klar, ob er bis zur WM fit wird.

Kaum besser sieht es derzeit auf der Position im zentralen defensiven Mittelfeld aus. Sami Khedira könnte beim spanischen Rekordmeister Real Madrid nach seinem im November erlittenen Kreuzbandriss zwar am Mittwoch im Nachholspiel beim FC Valladolid erstmals wieder zum Einsatz kommen, doch hinter der Form des früheren Stuttgarters steht ein Fragezeichen. Der Dortmunder Ilkay Gündogan hat wegen seiner Rückenprobleme seit August nicht mehr gespielt, Bastian Schweinsteiger ist nach zahlreichen Blessuren nicht wieder in Topform. Spielmacher Mesut Özil ist nach langwieriger Verletzung gerade erst zurückgekehrt, sein Arsenal-Teamkollege Lukas Podolski hatte immer wieder mit körperlichen Problemen zu kämpfen.

„Die Situation ist ein bisschen kritisch“, sagt auch Oliver Kahn. „Es ist die Hauptaufgabe des Bundestrainers, sich zu fragen: Welches sind die Spieler, die wirklich hundertprozentig fit sind? Aber die muss er erst einmal finden.“

Sepp Maier, der Weltmeister von 1974, meinte: „Vielleicht klapp es diesmal mit dem Titel, aber ich glaube natürlich nicht daran.“ Das dürften viele Deutsche aber anders sehen. Natürlich sei klar, dass trotz dieser Schwierigkeiten in Deutschland „diese Sehnsucht nach dem Titel da ist“, so Löw, der „diese Sehnsucht befriedigen“ wolle. Also sagte Löw auch, beinahe pflichtschuldig: „Wir haben Chancen, den Titel zu holen.“ Doch vor übertriebenen Erwartungen warnt er. „Andere Mannschaften haben ähnlich große Chancen, doch das will keiner hören.“

Löw jedenfalls spürt den Erwartungsdruck, der ihn bei dieser WM begleitet: „Als Trainer stehst du an der Wand. Nach Siegen wirst du als Messias gefeiert, als Heilsbringer fürs ganze Volk. Wenn du ein Spiel verlierst, bist du der Staatsfeind Nummer eins“, sagte er dem „Stern“ weiter. Für ihn persönlich wäre der Titel „die Krönung“ seiner Karriere. Aber: „Mein Seelenheil hängt ganz und gar nicht von diesen Tagen in Brasilien ab. Ein Sieg mehr, eine Niederlage mehr“, das spiele nicht die entscheidende Rolle in seinem Leben“.

 

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.