Leroy Sané völlig von der Rolle: Und du bist raus!

München - Allein die Szene in Minute 94: Ungarn hatte alles nach vorn geworfen, war hinten blank. Leroy Sané, schnellster Mann auf dem Platz, trieb die Kugel über rechts nach vorn, brauchte nur in die Mitte zu passen, wo zwei Mitspieler auf den Ball warteten, um ihn zum 3:2 zu versenken: Schweiz statt England im Achtelfinale. Allein: Sanés Pass landete im Nirgendwo.
Sané bringt Löw zum Haareraufen
Es war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, auch beim Bundestrainer, der sich die sorgsam gepflegten Haare raufte.
Vor der Partie hatte Joachim Löw den Hochbegabten noch in den Himmel gelobt: "Der Leroy brennt auf diese Chance." Er sei "Weltklasse", wenn er seine Qualitäten abrufe.
Mag sein, doch mittlerweile können sich nur noch die Älteren daran erinnern, dass dieser Spektakelspieler auch mal ein Feuerwerk der Spielkunst abfeuerte. Muss vor dem Kreuzbandriss bei ManCity gewesen sein.
Sein Marktwert sinkt
60 Millionen Euro betrug Sanés Marktwert laut transfermarkt.de vor EM-Beginn. Vor zwei, drei Jahren wurde er noch mit 100 Millionen taxiert. Nach der rätselhaften Vorstellung gegen Ungarn wird seine Aktie weiter in den Keller rauschen.
Möglich, dass die missratene Flanke in der Nachspielzeit seine letzte EM-Aktion war. Obwohl es nun gegen die Ex-Kollegen aus England geht.
So hebelt man keine Abwehr aus
Unbestritten, dass Sané ein Unterschiedspieler sein kann: schnell wie der Wind, irre Tempo-Dribblings, tolle Ball-An- und -Mitnahme. Dass es gegen Ungarns Abwehrbollwerk eng werden würde, war klar.
Deshalb hatte sich Löw ja für den Dribbler Sané und gegen die Kante Goretzka entschieden. Aber wer nie ins 1:1 geht oder mal in die Tiefe sprintet, wird keine Abwehr aushebeln.
Unglückliche Handball-Einlage gegen Ungarn
Nur dabei statt mittendrin wirkte er auch beim 1:2, als Torschütze Andras Schäfer vom slowakischen Zweitligisten FC DAC 1904 Dunajská Streda ihm zeigte, wie man zum Ball geht, wenn man das wirklich will.
Oder seine Handball-Einlage am eigenen Sechzehner, die ums Haar zum Elfmeter für Ungarn geführt hätte.
Lothar Matthäus richtet Weckruf an Löw
Lothar Matthäus polterte: "Löw hat sich wieder auf Spieler verlassen, die ihn wieder einmal enttäuscht haben. Er muss endlich aufwachen."
Leon Goretzka sei "der Gewinner dieses Spiels, und Jogi Löw sollte endlich erkennen, dass er sich auf die jungen Spieler verlassen kann - auf einige, die schon länger dabei sind, nicht".
Leroy Sané bleibt ein Rätsel. Vielleicht gelingt es Julian Nagelsmann mit seiner zupackenden Art, die verborgenen Talente Sanés freizulegen. Jogi Löw wird sich wohl einen neuen Helden suchen.