Länderspiel Deutschland gegen Russland: Roman Neustädter im AZ-Interview

Roman Neustädter spricht im AZ-Interview über das Duell seiner Heimatländer: Deutschland und Russland. "Es ist schon sehr emotional für mich", gibt er zu.
von  Julian Buhl
Spielt seit 2016 für die russische Nationalmannschaft: Roman Neustädter
Spielt seit 2016 für die russische Nationalmannschaft: Roman Neustädter © imago/Panoramic International

München - Der ehemalige Schalker Roman Neustädter wuchs in Deutschland auf, ist aufgrund seiner russischen Mutter aber auch für die Sbornarja spielberechtigt. Seit seinem Debüt 2016 absolvierte er zwei Freundschaftsspiele für das Land seiner Mutter - die AZ hat mit ihm gesprochen. (Lesen Sie hier: So will Löw sein Russland-Trauma beenden)

AZ: Herr Neustädter, Sie haben russische Wurzeln, sind aber größtenteils in Deutschland aufgewachsen. Heute Abend (20.45 Uhr/RTL) treffen Sie nun mit der russischen Nationalmannschaft in Leipzig auf die deutsche, für die Sie 2012 zwei Testspiele absolvierten.
ROMAN NEUSTÄDTER: Das ist schon sehr speziell und wird wahrscheinlich das einzige Spiel meiner Karriere in dieser Konstellation sein. Da sind so viele Gedanken in meinem Kopf, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Ich möchte das Spiel einfach genießen und mit Russland ein gutes Ergebnis erzielen, damit wir die Entwicklung, die wir bei der WM und danach genommen haben, weiterführen.

Ganz ausblenden können Sie die Konstellation aber sicher nicht, oder?
Es ist schon sehr emotional für mich. Mein Herz schlägt für beide Nationen. Ich kenne die deutschen Spieler, kenne Joachim Löw. Ich versuche, alles aufzusaugen. Irgendwann in den nächsten Wochen werde ich dann realisieren, was da überhaupt passiert ist.

Neustädter: Ich wusste, wozu Russland fähig ist

Wie werden Sie sich verhalten, wenn die Nationalhymnen gespielt werden?
Ich werde nicht wie Antoine Griezmann (beim WM-Spiel Frankreich gegen Uruguay; d. Red.) bei beiden mitsingen, sondern nur bei der russischen. Es wird aber auf jeden Fall komisch für mich sein, wenn im Stadion dann auch die deutsche Hymne gesungen wird.

Haben Sie im Sommer, als Sie noch aus dem WM-Kader gestrichen wurden, mal daran gezweifelt, sich für Russland entschieden zu haben?
Das habe ich in keinem Moment bereut. Ich habe die WM-Spiele verfolgt und es hat schon wehgetan, nicht dabei zu sein. Aber die Freude und der Stolz über die Jungs haben die Enttäuschung überwogen. Mein Ziel war es, nach der WM wieder Teil dieser erfolgreichen Mannschaft zu sein, weil sich hier in Russland gerade etwas entwickelt. Ich habe auf meine Chance gewartet und nach der WM nun bisher alle Spiele gemacht.

Hätten Sie ein solches russisches WM-Sommermärchen erwartet?
Vorhersehen kann man so etwas nicht. Ich wusste aber, zu was die Mannschaft fähig ist, und dass wir die Gruppe auf jeden Fall überstehen. Ich habe ja in der WM-Vorbereitung miterlebt, wie hart wir alle gearbeitet haben. Dafür haben sie sich belohnt und sich den Glauben an sich selbst zurückgeholt. Sie haben wirklich für Furore gesorgt. Gegen Spanien zu gewinnen und im Viertelfinale gegen Kroatien unglücklich im Elfmeterschießen auszuscheiden – das sagt schon viel aus.

Neustädter war "geschockt" vom DFB-Debakel

Können Sie sich erklären, dass immer wieder Dopingvorwürfe im Zusammenhang mit dem russischen Team aufkommen?
Nein, von dem Thema ist wahrscheinlich jeder auch langsam müde. Dazu wurde schon alles gesagt. Sie haben uns 100.000 Mal kontrolliert und werden das auch weiter tun. Aber ich weiß, dass wir hier nicht dopen. Deshalb kann ich guten Gewissens sagen, dass wir uns – im Gegensatz zu dem, wie es von außen dargestellt wird – schon an die Regeln halten.

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Wie sehr hat Sie das WM-Debakel der deutschen Elf überrascht?
Davon war ich wie jeder geschockt. Vielleicht findet dort jetzt ein Generationswechsel statt. Aber ich weiß, dass die Mannschaft trotzdem eine sehr hohe Qualität hat und weiterhin zu den besten Teams der Welt gehört. Das werden sie auch bald wieder zeigen.

Sind Sie davon ausgegangen, nach der verpassten WM wieder nominiert zu werden?
Klar war das für mich nicht, weil die Jungs in dieser Zusammenstellung ja eine sehr gute WM gespielt haben und alles gepasst hat. Beim ersten Länderspiel nach dem Turnier habe ich deshalb ehrlich gesagt gar nicht damit gerechnet, dass ich dabei bin. Umso mehr habe ich mich über die Einladung Freude und bin hingefahren. Auf einmal habe ich gespielt und wir waren relativ erfolgreich in den letzten Partien.

Neustädter erwartet junge DFB-Elf

Beim 2:0 gegen die Türkei erzielten Sie zuletzt einen wichtigen Treffer und meldeten sich damit endgültig zurück, oder?
So drin in der Mannschaft wie jetzt war ich noch nie. Ich Freude mich, dass ich auch bei den Jungs Anerkennung genieße. Der Umgang ist jetzt ein ganz anderer. Ich fühle mich pudelwohl, nicht so wie am Anfang meiner Nationalmannschaftskarriere in Russland.

Die deutsche Mannschaft ist gerade im Umbruch. Was für einen Gegner erwarten Sie?
Es werden sicher viele junge Spieler spielen. Aber jeder, der bei der deutschen Nationalmannschaft dabei ist, hat hohe Qualität und gerade die jungen Spieler wollen sich beweisen, ihrem Trainer zeigen, dass er in den nächsten Monaten, vielleicht Jahren auf sie bauen kann. Wir werden auf eine Mannschaft treffen, die es allen zeigen will, gerade nach den vergangenen Auftritten. Es wird ein sehr interessantes Spiel, auch für uns, um zu sehen, wo wir aktuell wirklich stehen.

Ist die EM 2020 nun Ihr nächstes großes Ziel?
Das ist noch weit weg. Ich versuche, weiterhin meine Leistung zu bringen. Aber natürlich ist die Euro ein Traum, gerade jetzt, wo ich die WM so knapp verpasst habe.

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