Kruse verbannt: Von Narren & Freiheit

Immer wieder hat man Kruse die Leviten gelesen. Darf nur derjenige, der gänzlich sündenfrei ist, den ersten Stein werfen? Der leitende Redakteur Sport, Matthias Kerber, über Max Kruses Verbannung aus der DFB-Elf.
von  Matthias Kerber
Max Kruses Karriere ist auf Titanic-Kurs. Matthias Kerber, der leitende Redakteur Sport über die Verbannung des Skandal-Profis.
Max Kruses Karriere ist auf Titanic-Kurs. Matthias Kerber, der leitende Redakteur Sport über die Verbannung des Skandal-Profis. © dpa/AZ

In den letzten Monaten wurde ein Name im deutschen Fußball synonym für Verfehlungen jedweder Art: Max Kruse. Unfreiwillige Großbetragsspenden im Taxi, öffentliche Pöbel-Auftritte und so weiter. Und so weiter. Und so weiter.

Fatalerweise war dies mit seinem sportlichen Niedergang gepaart. Wer keine Leistung bringt, macht sich entbehrlich. Kruse ist kein Ibrahimovic, der in Schweden und bei seinen Klubs fast Narrenfreiheit besitzt, weil er schier unersetzlich ist. Es ist nicht fair, dass es da zweierlei Maß gibt, aber es ist die Realität. Einer Realität, der sich Kruse wiederholt verweigerte. Jetzt hat ihn Bundestrainer Löw aus der Nationalmannschaft, die ja Deutschland im Ausland repräsentieren soll, geworfen.

Lesen Sie hier: Rückendeckung für Wolfsburgs Max Kruse

Darf wirklich nur der, der ohne Sünde ist – Löws Verfehlungen im Straßenverkehr sind etwa wohldokumentiert – den ersten Stein werfen? Nein! Denn dann würde es nie Strafen geben. Kruse hat zudem schon viele Steine abbekommen. Immer wieder hat man Kruse bei seinem Arbeitgeber Wolfsburg die Leviten gelesen, Professionalität eingefordert. Doch er gab den Ohren-auf-Durchzug-Kruse. Löw musste reagieren, und Kruse damit eigentlich eine Chance geben.

Der Rauswurf ist ein letzter Schuss vor den Bug, bevor Kruses Karriere endgültig auf Titanic-Kurs geht. Heutzutage, da alles öffentlich ist, wo jede Verfehlung, die zu den in diesen Fällen gerne zitierten Früher-war-alles-besser-Zeiten unentdeckt geblieben wäre, per Handy dokumentiert wird, müssen die Stars sich dieses Verlusts der Privatsphäre bewusst sein. Sie sind nicht Otto Normalverbraucher, sie nehmen auch die Vorteile der Popularität in Anspruch. Diese kommt aber mit einem Preis. Dafür erhalten die Kruses dieser Welt ein Schmerzensgeld, das es ihnen im Normalfall ermöglicht, nach Karriereende nie wieder einen Tag arbeiten zu müssen. Ein Tauschhandel. Ob es das wert ist, muss jeder für sich entscheiden. Auch Kruse.

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