Krönung für Toni und Toni: DFB-Team bekommt realen Rückenwind
Herzogenaurach/München - Ausverkauft. So beschrieb Bundestrainer Julian Nagelsmann die Situation in der Spieler-Lounge am Samstagabend. Im Homeground, dem Quartier der deutschen Nationalelf für die EM, waren Spieler, Trainer und Betreuer eingeladen, das Champions-League-Finale zwischen Real Madrid und Borussia Dortmund zu verfolgen – bei Wasser und guter Laune.
Reals Champions-League-Sieg spielt Nagelsmann in die Karten
Denn: Die Mannschaft war vollzählig angetreten, habe die Partie "komplett versammelt" angeschaut. Für Nagelsmann ein guter Indikator für den entstandenen Teamgeist, so etwas habe er in vergleichbaren Situationen "noch nie erlebt". Schließlich war die Teilnahme freiwillig, aber keiner verzog sich aufs Zimmer der Vierer-WGs, übrigens fachbezogen eingeteilt. Hier die Innenverteidiger, dort die Flügelspieler, drüben die Torhüter. Mal sehen, wie groß das gegenseitige Hallo ausfällt, wenn am Montag Marc-André ter Stegen einzieht. Der Barcelona-Keeper hatte etwas länger freibekommen nach Saisonende in Spanien.
Zurück zum Public Viewing der Mannschaft, die ja nicht mehr den Markennamen "Mannschaft" tragen soll, aber den Geist. Den vier Finalisten, Toni Kroos und Antonio Rüdiger von Real sowie Niclas Füllkrug und Nico Schlotterbeck vom BVB, wurde laut DFB-Kapitän Ilkay Gündogan im Sinne der Fairness ein Daumen rechts, ein Daumen links gedrückt. Dass zwei des Final-Quartetts nach der Ankunft am Dienstag mental aufgebaut werden müssen, war klar. Dass es nach dem 2:0-Erfolg von Real nun die Dortmunder erwischt hat, ist – natürlich unausgesprochen – etwas leichter für Nagelsmann und das Trainerteam. Mittelfeld-Dirigent Kroos und Abwehr-Chef Rüdiger gehören zur Vierer-Achse, angefangen mit Torhüter Manuel Neuer und Gündogan auf der Zehn. Mittelstürmer Füllkrug ist als Joker vorgesehen, Schlotterbeck als einer der Herausforderer bzw. Ersatzspieler der Innenverteidiger Rüdiger und Jonathan Tah.
Kroos und Rüdiger kommen mit realem Rückenwind zum DFB. "Dieses unbedingte Gewinnen-Wollen, dieses Gespür dafür, bringen beide nun mit in die Nationalelf", glaubt ZDF-Experte Per Mertesacker. Bei einer EM gehe es auch darum, "im richtigen Moment eines engen Spiels die Ruhe zu behalten". Das können sie, die zwei Tonis.

Krönt sich "Henkelgott" Kroos auch mit dem EM-Titel?
Der gebürtige Berliner Rüdiger (31) gewann den Henkelpott zum ersten Mal mit den Königlichen, zuvor bereits 2021 mit dem FC Chelsea. Kroos hingegen konnte zum sechsten Mal (einmal, 2013 im Bayern-Trikot) die Champions League holen. "Genau so wollte ich abtreten. Besser hätte es gar nicht laufen können", sagte der 34-Jährige nach seinem perfekten Abschied von Real gerührt. In seinem letzten Spiel als Klubfußballer gewann der Weltmeister von 2014 seinen 23. Titel mit Real, weltweit hat kein anderer den Henkelpott häufiger gestemmt.

"Was ich in diesen zehn Jahren erlebt habe, werde ich nie vergessen", erklärte Henkelgott Kroos, "es wird Zeiten geben, wo ich all das vermissen werde. Aber ich habe diese Entscheidung getroffen, weil ich ein anderes Leben führen will." Mit seiner Frau Jessica und den drei Kindern, alle im Wembleystadion mit dabei. Aber erst nach der EM. Am liebsten erst nach dem Finale am 14. Juli im Berliner Olympiastadion.
Real-Trainer Ancelotti hofft doch noch auf Kroos' Rücktritt vom Rücktritt
Der Triumph in Wembley sei "ein würdiger Abschied für einen Ausnahmespieler wie Toni", sagte Nagelsmann am Sonntag. Der Bundestrainer hofft, dass Kroos "auch mit der Nationalmannschaft den verdienten Abschied bekommt". War es das dann wirklich? Unwiderruflich?
Real-Trainer Carlo Ancelotti hat noch Hoffnung auf einen Rücktritt vom Rücktritt. "Wenn Toni das tut, sind wir da." Sogar Basketballstar und Real-Fan Luka Doncic forderte Kroos aus den USA zum Weitermachen auf. Und den Entschluss nach der EM 2021, sich aus der Nationalelf zu verabschieden, kassierte Kroos selbst im Laufe des letzten Winters ein. Weil ihn das Turnier im eigenen Land dermaßen reizt. Dazu der EM-Titel als letzte, nicht gewonnene Trophäe der Karriere.