Kniefall von Trainer Domenico Tedesco läutet Schalker Wende beim BVB ein

Nach dem denkwürdigen Comeback zum 4:4 im Revierderby in Dortmund liegt ganz Schalke Trainer Tedesco zu Füßen. Dieser leitete nach einem 0:4-Rückstand eine verrückte Aufholjagd ein. Und ging für seine Elf auf die Knie.
Dortmund - Die Schalker Glückseligkeit kannte keine Grenzen. Leon Goretzka, Ralf Fährmann und Co. tanzten am Samstag völlig entrückt vor dem Gästeblock im Dortmunder Fußball-Tempel und feierten mit den euphorisierten königsblauen Fans eine denkwürdige Aufholjagd. Mitten im Trubel: Domenico Tedesco, der gefeierte Vater des Husarenstücks.
Der Trainer-Jungstar führte sein Mannschaft im Stile eines Maestros mit goldenem Händchen, taktischem Geschick und menschlichem Einfühlungsvermögen nach einem 0:4-Rückstand zu einem 4:4 im 151. Revierderby beim Erzrivalen Borussia Dortmund.
"Schalke hat heute bewiesen, dass Schalke Charakter hat. Die Spieler haben bewiesen, dass Sie Mentalität haben und Spektakel bieten können. Das war ein ganz großer Schritt in die richtige Richtung", sagte Tedesco bei Sky zu einem kleinen Fußball-Wunder, das Torhüter Fährmann so beschrieb: "Wie wir zurückgekommen sind, war purer Wahnsinn. Wenn man das als Buch verfasst hätte, hätte man sich gefragt: Was ist das denn für ein Schwachsinn."
"Zweite Halbzeit ein neues Spiel"
Erst zum zweiten Mal seit dem FC Bayern 1976 in Bochum gelang es einem Team, ein 0:4 aufzuholen. Für den gebürtigen Italiener Tedesco, der fünf Sprachen spricht, war das 13. Bundesliga-Spiel so etwas wie ein Meisterstück. Der Nachfolger des glücklosen Markus Weinzierl scheint endlich der Mann zu sein, den Schalke so lange gesucht hat. "Er hat neue Ideen reingebracht", sagte Schalke-Kapitän Fährmann im ZDF-Sportstudio.
Der 29-Jährige schilderte, was in der Halbzeitpause in der Kabine passierte: "Er hat uns enger zusammengerufen, wir saßen ganz eng. Dann ist er auf die Knie vor uns gegangen und hat gesagt: Dass wir aus dem Spiel jetzt schon lernen müssen. Dass so eine erste Halbzeit immer mal passiert. Wir müssen die zweite Halbzeit anders angehen, unser Herz in die Hand nehmen. Und die zweite Halbzeit als neues Spiel sehen."
Tedesco habe darauf hingewiesen, dass Dortmund gerade in einer schwierigen Situation sei. "Und gerade, wenn sie einen Anschlusstreffer bekommen, kann es noch einmal kritisch für Dortmund werden."
Rudelbildung nach Spielschluss
In Dortmund hatte Schalke nach Gegentoren von Pierre-Emerick Aubameyang (12. Minute), Benjamin Stambouli (18. Eigentor), Mario Götze (20.) und Raphael Guerreiro (25.) vor 80.179 Zuschauern scheinbar hoffnungslos zurückgelegen.
Doch Tedesco reagierte, brachte nach 33. Minuten Leon Goretzka, der zuvor länger angeschlagen gefehlt hatte, und Amine Harit und stellte taktisch auf eine Dreierabwehrkette um, die der Dortmunder Kollege Peter Bosz zu seiner Überraschung gewählt hatte.
Das Wichtigeste passierte aber nicht nur nach Meinung von Goretzka in der Pause. "Man muss dem Trainer ein Kompliment machen. In so einer Situation hast du zwei Optionen, wie du damit umgehst: Die eine ist, auf die Mannschaft einzutreten, und dann gibt eben noch die andere Variante. Er hat uns gesagt, dass das zur Reise dazugehört, die wir machen wollen. Er hat jeden einzelnen nochmal gepackt", berichtete der Confed-Cup-Sieger.
Guido Burgstaller (61.) und Harit (65.) brachten Schalke wieder ins Spiel. Nach der Gelb-Roten Karte für Aubameyang (72.) machten Daniel Caligiuri (86.) und Naldo (90.+4) das Spektakel perfekt. Der 29-Jährige hatte in Dortmund einst einen rabenschwarzen Start in seine Bundesliga-Karriere, als er am 13. September 2008 ein 3:3 nach einer 3:0-Führung hinnehmen musste.
Am Samstag ließ er sich im Überschwang zu einer fahrlässigen Geste in Richtung Südtribüne hinreißen, die für Aufruhr unter den BVB-Fans und für eine Rudelbildung sorgte. Fährmann entschuldigte sich ausdrücklich. "Ich habe mich von meinem Herz leiten lassen. In jedem steckt auch ein bisschen Mensch."
Auch in Domenico Tedesco. Der wurde bei seiner Ansprache in der Kabine nach dem gefühlten Sieg immer wieder von "Derbysieger, Derbysieger"-Sprechchören unterbrochen. Und als die Spieler ihn wiederholt fragten, ob am Sonntag frei ist, ließ er sich erweichen: "Ja, morgen ist frei."