Katar-WM weiter im Fokus

 Der Verbandsboss ist wiedergewählt und die künftige WM-Vergabe reformiert, doch die Diskussionen um Bestechung in Millionenhöhe rund um die Weltmeisterschaft 2022 in Katar reißen nicht ab.
von  dpa

Der Verbandsboss ist wiedergewählt und die künftige WM-Vergabe reformiert, doch die Diskussionen um Bestechung in Millionenhöhe rund um die Weltmeisterschaft 2022 in Katar reißen nicht ab.

Zürich - Auch wenn dem tief erschütterten Fußball-Weltverband nach der wochenlangen Schlammschlacht und der Amtsbestätigung von Präsident Joseph Blatter nun erst einmal ein paar ruhigere Tage bevorstehen, wird die umstrittene Wüsten-WM so schnell nicht von der Agenda gestrichen werden können. Selbst der gerade in die FIFA-"Regierung" aufgestiegene DFB-Chef Theo Zwanziger sprach sich für eine genaue Überprüfung der Vorgänge rund um das Katar-Votum aus.

"Katar hatte die Abstimmung mit 14:8 für sich entschieden. Sollte tatsächlich erwiesen sein, dass die Mehrheit auf unrechtmäßige Art zustande gekommen ist, kann die Entscheidung keinen Bestand haben", sagte der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in einem Interview der "Bild"-Zeitung.

Zudem regte er einen "Runden Tisch" an, um die Kritik aus der Bundesliga an der FIFA und Blatter aufzuarbeiten. Wohl am 21. Juni will Zwanziger mit einer Runde deutscher Spitzenfunktionäre, darunter Liga-Präsident Reinhard Rauball und Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, in einer "offenen Diskussion" eine "deutsche Position" zur FIFA-Krise entwickeln.

Eine schonungslose Aufklärung der Vergangenheit kündigte Blatter in einem Interview des Schweizer "Tages-Anzeiger" an. "Sicher müssen wir das tun", erklärte der 75-Jährige zwei Tage nach seiner Wiederwahl. Ein Auftrag für die neue Ethikkommission werde sein, "wie behandeln wir das Vergangene? Das ist einer der wichtigen Punkte: Wie weit zurück kann und soll man gehen?"

Als Reaktion auf die Bestechungsvorwürfe gegen seine vorläufig suspendierten Exekutivmitglieder Mohamed bin Hammam and Jack Warner engagierte die FIFA den früheren FBI-Boss Louis Freeh. Der auf Industriespionage spezialisierte US-Amerikaner soll bei der Aufklärung helfen und "unter direkter Aufsicht" von Robert Torres (Guam) arbeiten, einem Mitglied der FIFA-Ethikkommission.

Freeh war von 1993 bis 2001 Direktor der US-Ermittlungsbehörde FBI und hatte im Anschluss ein weltweit aktives Unternehmen für Risikomanagement gegründet. Die Ermittler sollen auch mehrere Funktionäre der Karibischen Fußball-Union (CFU) befragen, denen je 40 000 US-Dollar Bargeld angeboten worden sein sollen. Der Katarer bin Hammam war am Sonntag wie FIFA-Vizepräsident Jack Warner (Trinidad & Tobago) von allen Aufgaben im Fußball und innerhalb der FIFA vorläufig suspendiert worden.

Mit Blick auf die Vergabe der WM-Endrunden 2018 und 2022 räumte Blatter einmal mehr ein: "Es war falsch, beide Turniere zusammen zu vergeben." Trotz kolportierter Bestechungsanschuldigungen und vorläufig suspendierter Mitglieder seiner Exekutive hält er die FIFA aber nicht für korrupt: "Die FIFA ist doch nicht korrupt." Das könne man nicht generell sagen.

Zuvor hatte Zwanziger - für FIFA-Verhältnisse fast schon ungewohnt undiplomatisch - eine genaue Untersuchung der Vorgänge bei der Abstimmung im Dezember 2010 gefordert. "Sogar der FIFA-Generalsekretär hat, egal ob salopp formuliert oder nicht, in einer E-Mail die finanziellen Möglichkeiten Katars kritisch betrachtet. Deshalb bin ich der Meinung, dass diese WM-Vergabe nochmals auf den Prüfstand gebracht werden sollte", hatte der DFB-Chef am Tag der Wiederwahl Blatters zum FIFA-Boss gesagt.

Tatsächlich ranken sich weiter Gerüchte und Spekulationen, dass vier Mitglieder des FIFA-Exekutivkomitees insgesamt 20 Millionen Dollar erhalten haben sollen, um Katar die WM in elf Jahren zuzuschanzen. Beweise gibt es bislang keine, Dementis dagegen viele. Das Leugnen des Generalsekretärs Jerome Valcke fiel allerdings so verwaschen aus, dass es weiter Raum lässt für Verdächtigungen.

"Was ich sagen wollte, ist, dass die Sieger ihre finanzielle Kraft genutzt haben, um Lobbyarbeit für ihre Bewerbung zu betreiben", hatte Valcke erklärt. In einer Mail an den inzwischen wegen Korruptionsvorwürfen vorläufig suspendierten FIFA-Vize Jack Warner hatte der Franzose eindeutige Andeutungen der Bestechung gemacht.

So fokussierten sich manche Reaktionen zwei Tage nach Ende des 61. FIFA-Kongresses in Zürich auf die WM in Katar. "Immer mehr deutet darauf hin, dass die Vergabe der WM 2022 an Katar alles andere denn rechtmäßig erfolgte, dass massenweise Stimmen gekauft wurden", schrieb die liberale Wiener Zeitung "Der Standard" am Freitag.

Künftig soll also nicht mehr das skandalumwitterte Exekutivkomitee entscheiden, wer das neben Olympischen Spielen bedeutendste Sportereignis der Welt ausrichten darf, sondern der Kongress mit seinen 208 Mitgliedsverbänden. Der hatte Blatter am Mittwoch mit grotesk eindeutigen Verhältnissen für eine vierte Amtszeit bis 2015 das Vertrauen ausgesprochen - auch dank der deutschen Stimme.

Der kritisierte DFB-Chef verteidigte sein Abstimmungsverhalten. "Sepp Blatter ist in einer geheimen Wahl, auf die ich auch sehr gedrängt hatte, mit einer deutlichen Mehrheit gewählt worden. Hätte sich Deutschland in die Isolation begeben sollen?", sagte Zwanziger.

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