Kampfansage an Ballack: Lahm will Kapitän bleiben

WM-Edelfan Michael Ballack trat am Montag die Heimreise aus Südafrika an - begleitet von einer Kampfansage Philipp Lahms, der die Kapitänsbinde freiwillig nicht mehr hergeben will.
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Illustration
dpa Illustration

CENTURION - WM-Edelfan Michael Ballack trat am Montag die Heimreise aus Südafrika an - begleitet von einer Kampfansage Philipp Lahms, der die Kapitänsbinde freiwillig nicht mehr hergeben will.

Die unangenehme Geschichte schwelte in der deutschen Mannschaft, seit Michael Ballack am vorigen Donnerstag in Kapstadt zu seinen früheren Kollegen gestoßen war. Der 33-Jährige, bis zu seiner Ende Mai erlittenen Verletzung der Kapitän des DFB-Teams, war plötzlich ein Fremdkörper im Kreis der spielenden Kollegen. Am Montagabend trat der Neu-Leverkusener überraschend die vorgezogene Heimreise nach Deutschland an. Parallel entfachte Philipp Lahm, der von Bundestrainer Joachim Löw zum neuen Kapitän ernannt wurde, einen hoch brisanten Konflikt.

„Ich werde meine Kapitänsbinde nicht freiwillig abgeben“, sagte der Münchner in einem Interview mit der Kölner Zeitung „Express“ und anderen Boulevardblättern am Morgen im deutschen Quartier. Wenige Stunden später trat der 98-malige Nationalspieler Ballack den Rückzug an, offiziell weil er seine Reha-Behandlung an den verletzten Bändern im Fuß nach einem guten Heilungsverlauf besser in der Heimat fortsetzen könne.

Die Pressemeldung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zur Heimkehr von Ballack weckte den Eindruck von Harmonie. „Ich habe mich gefreut, nach der kurzen Begegnung im Trainingslager auf Sizilien meine Kollegen für einige Tage in Südafrika zu sehen, und einen hervorragenden Eindruck von der Mannschaft gewonnen“, sagte Ballack. „Wir fanden es echt toll, dass Michael uns hier besucht und unterstützt hat“, erklärte Bundestrainer Joachim Löw.

Bastian Schweinsteiger hatte aber durchblicken lassen, dass der Kontakt zu Ballack, der im Quartier wohnte, aber nicht direkt im Team-Haus, nicht mehr wie früher war. „Er lässt uns gewähren. Er ist nicht so nah an der Mannschaft, ganz eng ist er bei uns jetzt nicht“, sagte der Vizekapitän. Auf die Frage, wer denn der Chef sei, ob Lahm oder Ballack, sagte der Münchner: „Der Chef ist der Bundestrainer.“

Es gab für Ballack aber offenbar auch keinen Platz auf den Massagebänken im Hotel Velmore Grande. „Da mein Heilungsverlauf glänzend verläuft und schneller vorangeht als geplant, sind für mich hier aber die Bedingungen für meine Reha-Behandlung nicht mehr optimal“, meinte Ballack. „Der Fokus der medizinischen Abteilung des DFB liegt derzeit ganz klar auf dem Team, dafür haben Ärzte und Physiotherapeuten in den vergangenen Tagen fast rund um die Uhr gearbeitet“, sagte der gebürtige Sachse.

Im Team sind nach dem Viertelfinale gegen Argentinien (4:0) und vor dem Halbfinale gegen Spanien (Mittwoch, 20:30 Uhr) ) Sami Khedira und Cacau stärker angeschlagen, Arne Friedrich und Tim Wiese mussten wegen leichter Blessuren mit dem Training aussetzen. Die meisten Spieler werden aber täglich entweder nach und vor dem Training behandelt.

Eine Serie von Rückschlägen

Ballack hat zuletzt viel einstecken müssen. Kürzlich bekam der Profi beim FC Chelsea nach dem Gewinn von Meisterschaft und Pokal den Stuhl vor die Tür gesetzt, obwohl er gerne bei den Londonern geblieben. Er verletzte sich im Pokalfinale gegen Portsmouth durch einen Tritt des Berliners Kevin-Prince Boateng so schwer, dass er seine dritte WM-Teilnahme in Südafrika absagen musste. Im Trainingslager in Sizilien besuchte er die Mannschaft auf Krücken. Dann empfahl Uli Hoeneß dem ehemaligen Mittelfeldspieler des FC Bayern, seine Karriere in der deutschen Nationalelf besser zu beenden. Als Zuschauer den grandiosen Viertelfinal-Triumph in Kapstadt zu verfolgen, stürzte Ballack offenbar in einen Zwiespalt. Beim Stand von 3:0 erwischte ihn eine TV-Kamera auf der Tribüne sitzend mit einem betrübten Gesicht. Schweinsteiger und Khedira boten bislang bei der WM so starke Leistungen, dass seine Rückkehr aus sportlichen Gründen nicht unbedingt zwingend erscheint.

Natürlich bejubelte Ballack die vier Treffer gegen Argentinien. Doch seine Stellung im Team, speziell im Mannschaftsrat mit Lahm, Schweinsteiger, Per Mertesacker, Arne Friedrich und Miroslav Klose ist nicht unumstritten. Seit seiner harten Kritik, die Ballack an Mitspielern während der EM 2008 übte, wird er bei Teilen des Teams argwöhnisch beäugt. Am Ende des Spiels stand der Kapitän außer Dienst, den Lahm zum Kapitän a.D. machen will, recht verloren hinter der Ersatzbank und verschwand während der Ehrenrunde ins Stadion.

Ballacks Verletzung "ein Glücksfall"

Ballack ist von 2002 bis 2009 der mit einigem Abstand beste Spieler der Nationalelf gewesen und zudem der einzige, der von sich behaupten konnte, annähernd ein Weltstar zu sein. Lahm betonte im Mai noch, er sei nur ein „Übergangskapitän“, andere Spieler erklärten, ihr richtiger Spielführer Ballack fehle ja nur für ein Turnier. Doch plötzlich haben einige Spieler offenbar gemerkt, dass „der Alte“ immer sehr viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Ballack muss auch von außen harte Kritik einstecken. Am Montag meldete sich Bernd Schuster zu Wort. „Ballacks Verletzung ist ein Glücksfall für den deutschen Fußball.“

Ob der Konflikt, der ein neues Licht auf Löws „junge Wilde“ mit ihrem Wortführer Lahm wirft, eskaliert, ist offen. „Wir würden uns natürlich freuen, wenn er im Falle des Final-Einzugs nochmals den langen Weg nach Südafrika auf sich nimmt und wieder beim Team dabei ist“, teilte Löw gestern schriftlich mit. Der nächste Länderspieltermin nach der WM findet bereits am 10. August in Kopenhagen gegen Dänemark statt, wahrscheinlich mit vorhergehendem Kampf um das Kapitänsamt.

Gregor Derichs

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.