„Kamele, Falken, Fußball“
Dass Fifa-Boss Sepp Blatter die WM 2022 dem winzigen Wüsten-Emirat Katar schenkt, sorgt weltweit für Empörung. Bundestrainer Joachim Löw warnt vor der Hitze – genau wie Ex-Katar-Profi Basler.
ZÜRICH Es herrschte fast eine betretene Stille. Selbst die Sieger dämpften wegen der Brisanz der Entscheidungen ihren Jubel. Franz Beckenbauer reiste umgehend nach Hause. Präsident Sepp Blatter, der normalerweise gerne große Medienauftritte inszeniert, blieb der Pressekonferenz fern. Wie zu Wochenbeginn, als sich die Korruptionsvorwürfe gegen die Fifa zugespitzt hatten, entzog sich der 74-Jährige nach der Wahl von Russland für die WM 2018 und die Vergabe des Turniers 2022 an Katar den kritischen Fragen.
Tatsächlich begann mit dem Beschluss, das Turnier 2022 in die Wüste zu schicken, in ein Land, nur drei Mal so groß wie Berlin, mit Alkoholverbot und unwirtlichen klimatischen Bedingungen, eine Kontroverse, die sogar Blatters Präsidentschaft beenden könnte.
Die meisten europäischen „Exko“-Mitglieder lehnten Katar ab, die anderen ließen sich beeindrucken von einer Kandidatur, die Züge eines Märchens aus 1000 und einer Nacht besitzt. Das Land soll ein Metro-System mit hochmodernen Zügen und Haltestellen an allen zwölf WM-Stadien erhalten. Die Stadien werden mit spektakulären architektonischen Hüllen versehen, die die Spielfelder bei Hitze von 45 Grad beschatten; mit Sonnenenergie werden die Tribünen auf 27 Grad gekühlt. Die WM in Katar wird so zur größten Hallen-WM der Welt – und das ist auch dringend nötig. „Man geht nur Klimaanlage Haus, Klimaanlage Auto, Klimaanlage Hotel. Das Wetter ist für den Fußball unerträglich“, sagt Ex-KSC-Trainer Winnie Schäfer, der in den letzten Jahren immer wieder in der Golf-Region tätig war. Auch Bundestrainer Joachim Löw bezeichnete die Entscheidung für den Wüstenstaat als „mutig“. Zwar denkt Löw, „dass es in Sachen Organisation und Stadien ein hervorragendes Turnier wird“. Aber: „Eine große Rolle wird die Hitze sein“, meinte er, „bei 40 Grad zu spielen und zu trainieren, ist schon schwierig.“
Die Bewerber warben damit, dass die zwölf Stadien, die alle neu beziehungsweise massiv umgebaut werden müssen und sich im Umkreis von nur 30 Kilometer befinden, später für andere Zwecke genutzt werden könnten. Die Zuschauerränge würden in einer Modulbauweise erstellt, die in genormte Container passen, um sie nach der WM in arme Länder zu verschiffen. Dort könnten sie in variabler Größe als Tribünen an Sportplätzen genutzt werden.
Die Kataris versprachen außerdem, bald auch wieder eine Profiliga im Land aufzubauen. Die erste vor sieben Jahren, die alternde Stars wie Stefan Effenberg, Mario Basler, Gabriel Bastistuta und Ronald De Boer ins reiche Land lockte, scheiterte. „Fußball kommt in Katar hinter Kamelen und Falken“, sagte Basler am Freitag bei „Bayern 3“.
Wie auch immer: Es ist nicht auszuschließen, dass die WM-Vergabe an Katar Folgen hat für die Fifa-Präsidentenwahl im Juni 2011, bei der Blatter erneut antreten will. Uefa-Präsident Michel Platini werden Ambitionen auf das Amt zugetraut. Der Franzose opponiert inzwischen gegen den oft selbstherrlich agierenden Präsidenten. Die Mehrheiten im wählenden Fifa-Kongress mit 208 Mitgliedern sind schwer einzuschätzen, doch der 55-jährige Platini gilt vielen als beste Person, die Fifa aus ihrem Sumpf herauszuführen. Nur Franz Beckenbauer, wenn er wollte, hätte bessere Chancen.
Gregor Derichs