Kahn: „Torfrau? Das würde ich meiner Tochter verbieten“
Was Ex-Bayern-Keeper Oliver Kahn, heute Glücksfee bei der Gruppenauslosung der Frauen-WM 2011 in Deutschland, von den kickenden Damen hält
AZ: Herr Kahn, jetzt mal ehrlich: Schon mal ein Frauen-Fußballspiel gesehen? Zu Hause auf der Couch mit Chips und Kaltgetränken, dazu Freunde eingeladen – 90 Minuten Spannung.
OLIVER KAHN: Okay, nicht 90 Minuten. Aber ich gebe gerne zu: Ich habe öfter mal reingeschaut, um zu sehen, was da so geht.
Und? Was geht? Nicht wieder weggezappt?
Nein, macht Spaß. Natürlich haben die Damen nicht das Tempo, aber das liegt in der Natur der Sache, in der Natur der Frau. Damenfußball ist natürlich wesentlich langsamer und weniger athletisch, aber technisch ist das sehr ansehnlich, zum Teil hohes Niveau.
Am Montag losen Sie in der Frankfurter Messe die Gruppenphase der WM 2011 in Deutschland aus – mit schöner Verstärkung, mit Topmodel Ariana Karembeu. Fußball kann schön sein.
Ja, das stimmt.
Und: Fußball ist weiblich. Mittlerweile.
Eine sehr etablierte Geschichte. Man sollte sich nicht darüber lustig machen. Ich mache die Auslosung sehr gerne, ich freue mich drauf.
Sie haben in den 70ern Ihren Sport begonnen, kamen in den 80ern in die Bundesliga, 1994 zum FC Bayern. War Frauenfußball früher Kabinenthema? Stoff zum Flachs?
Nein, aber weil es kein Thema war. Deshalb wurde es auch nicht belächelt. Erst als mehr und mehr in den Medien berichtet wurde, als die Professionalisierung kam. Und die Erfolge der deutschen Damen. Dann hat man das wahr genommen, gesagt: Hey, das ist ja ganz ansehnlich! Aber ist Fußball wirklich eine Frauensportart? Darüber kann man diskutieren, ich bin ein toleranter Mensch. Bitte, wenn’s ihnen Spaß macht.
Alles eine Frage der Emanzipation. Es gibt auch Frauenboxen.
Also, ich weiß nicht. Mit der Weiblichkeit verbinde ich doch etwas anderes, als sich bewusst gegenseitig auf die Birne zu kloppen. Dann lieber Frauenfußball!
Mit den Torfrauen, die...
...ja, die haben’s da besonders schwer, tun mir oft leid. Torwart ist ja eine sehr athletische Position. Die Tore haben dieselben Maße wie bei den Herren, Frauen sind aber allgemein kleiner. Das sieht oft böse aus, wenn der Ball oben in den Winkel fliegt, das ist gemein.
Deutschlands Titanin heißt Nadine Angerer, Weltmeisterín 2003 und 2007.
Das Lustige ist: Auch bei den Frauen ist der Torwartjob eine traditionell deutsche Domäne, die werden immer besser. Vor Angerer gab’s ja noch so eine deutsche Ikone.
Silke Rottenberg.
Genau.
Ihre Tochter Katharina ist jetzt elf Jahre alt. Was ist, wenn Sie in einem Fußballverein spielen möchte?
Ja mei, ich würd’ nichts sagen. Aber sie hat andere sportliche Talente und Interessen.
Keine Torwartfrau?
(lacht) Feldspielerin ja, aber Torfrau? Das würde ich meiner Tochter verbieten.
Wieso das denn?
Ich habe das 20 Jahre gemacht. Diese Schmerzen! Diese Anstrengungen! Dieser Druck! Es gibt Schöneres als Torwart zu sein.
Eine späte Erkenntnis.
Tja, was willste machen, wenn Du nichts anderes gekonnt hast? (lacht)
Sie sind jetzt ZDF-Experte. Auch nächstes Jahr bei der Frauen-WM?
Also, ich weiß nicht. Da gibt es, rein fachlich, andere, die das besser können.
Die WM wird ein Spektakel, es sind schon über 350 000 Tickets verkauft worden.
Klar, warum nicht. In der Allianz Arena sind über 30 Prozent der Zuschauer weiblich, das ist keine reine Männderdomäne mehr. Es gibt ja viel zu gucken im Stadion – nicht nur auf dem Platz. Die Eventisierung hält ja überall Einzug.
Dann sehen wir uns nächsten Sommer beim Public Viewing auf einer Fanmeile.
Abwarten! Aber wenn der Funke überspringt, die Erfolge da sind, könnte das Turnier ein Selbstläufer werden.
Interview: Patrick Strasser