Kahn: „Logisch! An Adler führt kein Weg vorbei“

MÜNCHEN - Bundestrainer Löw hat entschieden: Leverkusen-Keeper René Adler soll bei der WM im Tor stehen. Hier erklärt Oliver Kahn, warum die Entscheidung richtig ist – und wieso sie jetzt schon fallen musste.
Und wieder war es ein Hotel in der Nähe des Münchner Hauptbahnhofs, in dem den Kandidaten die Entscheidung in der Torhüterfrage vor einer WM mitgeteilt wurde. Diesmal war es das „Charles Hotel“. Kurz nach dem Frühstück rief Joachim Löw mit seinem Trainerteam die Torhüter René Adler und Manuel Neuer in sein Büro. Tag der Entscheidung. Es kann nur einen geben.
Es ist: René Adler, Bayer Leverkusen. Der 25-Jährige wird am Mittwoch beim WM-Test gegen Argentinien in der Allianz Arena (20.45 Uhr, live im ZDF) im Tor stehen – und damit auch in Südafrika. „René hat es von nun an in der Hand, ob er bei der WM spielt“, sagte Bundestorwarttrainer Andreas Köpke. Der Auserwählte meinte: „Ich versuche dazu beizutragen, dass wir ein großes Turnier spielen. Ich arbeite daran, dass ich ein großer Name werde.“
Einer wie Oliver Kahn (40). Der ehemalige Kapitän wurde 2002 Vize-Weltmeister, vor der WM 2006 teilte ihm Bundestrainer Jürgen Klinsmann mit, dass Jens Lehmann als Nummer eins ins Turnier gehe – im „Hotel Dorint Sofitel“ am Hauptbahnhof. Was Kahn über die Entscheidung pro Adler denkt, sagte er der AZ.
AZ: Herr Kahn, ist René Adler der richtige Mann?
OlIVER KAHN: Ja, ist er. Für mich viel wichtiger aber ist der Zeitpunkt, an dem die Entscheidung den Kandidaten mitgeteilt und öffentlich verkündet wurde. Anfang März – das ist okay, nun hat Adler genug Zeit, sich auf die Situation einzustellen. Es wäre falsch gewesen, wenn der Zweikampf jetzt noch weiter gegangen wäre. Jeder, auch Manuel Neuer (Schalke 04, d. Red) und Tim Wiese (Werder Bremen, d. Red.), wissen nun, woran sie sind. Für einen Torhüter ist dieses Wissen das A und O.
Was glauben Sie, was war letztlich ausschlaggebend für die Entscheidung der DFB-Trainer?
Seine Leistung in den beiden WM-Qualifikationsspielen gegen Russland, da hat er überzeugt. Außerdem spielt René für Leverkusen eine sehr, sehr gute Saison. Für mich war es schon länger logisch und völlig klar, dass er die Nummer eins wird – ohne die Leistungen der anderen schmälern zu wollen: Es führte einfach kein Weg an ihm vorbei.
Adler tritt nun Jens Lehmanns Erbe an, steht in einer Liste mit Größen wie Toni Turek, Sepp Maier, Bodo Illgner oder Ihnen.
Wenn du als Torhüter einer deutschen Nationalelf zur WM fährst – ja, mehr kannst du in deiner Karriere eigentlich nicht erreichen. Das ist das Wunderbarste, dass du dich als Torwart auf diesem höchsten Level mit allen anderen deiner Zunft messen kannst. Mehr geht nicht.
Ein Rückschlag für Manuel Neuer, zumal sie beinahe gleich alt sind. Neuer ist erst 23, Adler gerade mal zwei Jahre älter.
Ach, ich schätze, dass es ihm wohl schon klar war, dass Adler den Vorzug bekommt. Und beide sind intelligent genug zu wissen, dass sie in den nächsten Jahren eine faire Rivalität pflegen werden.
Beim FC Bayern haben sich die Verantwortlichen für Jörg Butt entschieden. Als Zeichen des Vertrauens wurde sein Vertrag bis 2011 verlängert, er hängt noch ein Jahr dran – als Nummer eins.
Darauf habe ich schon länger getippt. Die Tendenz ging dahin. Warum nicht? Er spielte eine starke Saison. Doch die Entscheidung, ihm nur ein Jahr zu geben, heißt auch, dass man sich perspektivisch gesehen Gedanken machen muss, was nach 2011 passiert. Der FC Bayern hat eben gerade auf dieser Position höchste Ansprüche. Ich bin gespannt, was sie machen.
Für Michael Rensing dagegen geht im Juni das Kapitel FC Bayern zu Ende.
Es ist nicht gut für ihn gelaufen, seit Sepp Maier (ehemaliger Torwarttrainer, d. Red.) den Verein verlassen hat, seitdem ich weg bin. Vorher war alles wunderbar. Wenn er mich vertreten hat, lieferte er teils Weltklasse-Leistungen ab, auch Ottmar Hitzfeld schwärmte von ihm. Dann kam der Knick. Mir ist das schleierhaft, alles ein Rätsel. Aber die Welt geht für ihn nicht unter, er sollte nun woanders richtig angreifen – womöglich außerhalb der Bundesliga.
Interview: Patrick Strasser