Kahn: Lehmann sollte aufhören!

Der Ex-Nationaltorwart wundert sich über die Ausraster seines früheren Kontrahenten: „Bizarr! Jede Woche setzt er noch einen drauf. Er muss jetzt mal zu sich kommen“
von  Abendzeitung
Im Interview bei Sport1: Oliver Kahn
Im Interview bei Sport1: Oliver Kahn © dpa

Der Ex-Nationaltorwart wundert sich über die Ausraster seines früheren Kontrahenten: „Bizarr! Jede Woche setzt er noch einen drauf. Er muss jetzt mal zu sich kommen“

AZ:Herr Kahn, die Fußball-Fans diskutieren über die Szenen des vergangenen Spieltags, über den Ausraster von Jens Lehmann, der zur Roten Karte für ihn selbst und zum späten Ausgleich der Mainzer gegen den VfB Stuttgart führte.

OLIVER KAHN: Ich verstehe einfach nicht, was er will, was er damit bezweckt. Ich begreife seine ganze Intention dahinter nicht. Es ist doch wohl seine letzte Saison, wie es aussieht. Aber Jens stolpert momentan ja von einer Verlegenheit in die andere, das ist ja unfassbar. Jeden Spieltag eine neue Geschichte.

Man möchte ja meinen, Menschen, und selbst Torhüter, werden im Alter reifer, gelassener, cooler. Warum genießt Lehmann nicht einfach seine letzte oder vorletzte Saison?

Bei mir hat das schon zwei Jahre vor meinem angekündigten Abschied (im Mai 2008, d.Red.) angefangen, dass ich mich bewusst damit auseinandergesetzt habe. Die Stadien, die Fans, die Mitspieler, die Gegner – ich wollte das alles in mich aufsaugen – wie Sie sagen: Genießen! Spaß haben!

Davon scheint Lehmann weit entfernt.

Ich weiß nicht, was wirklich mit ihm los ist, was in ihm vorgeht. Aber das ist ja mittlerweile bizarr! Jede Woche setzt er noch einen drauf.

Richtig. Er kritisiert schon seit längerem die Personalpolitik des Vereins, mischt sich in die Angelegenheiten der Geschäftsführung ein, provoziert Mitspieler und Gegner – und die Krönung in Mainz.

Natürlich ist Frust dabei, ein ganz massiver offenbar. Klar gefällt es einem Weltklasse-Torhüter wie ihm nicht, mit seiner Mannschaft gegen den Abstieg zu spielen, noch dazu wenn er das Karriere-Ende vor Augen hat. Vielleicht will er jetzt noch einmal mit Gewalt auffallen.

Mit Verlaub: Aufgefallen sind Sie schon auch mit Ihren Aktionen, die nicht minder spektakulär waren. Ein paar Stichworte: Chapuisat, Herrlich Herzog, Brdaric, Klose.

Ja, schon. Aber sämtliche Vergleiche, die man nun mit meiner Person anstellt, sind doch völlig hanebüchen. Ich wollte damals nicht auffallen, sondern immer im Sinne der Mannschaft ein Zeichen setzen, wenn es im Spiel nicht so lief. Und insgesamt reden wir da von einem Zeitraum von 20 Jahren meiner Karriere.

Lehmann toppt sich momentan von Spiel zu Spiel.

Eben. Und als Torwart muss es ja einen Sinn haben, wenn du etwas gezielt machst. So eine Rote Karte, so ein Elfmeter kurz vor Schluss, der zum Ausgleich führt, noch dazu im Abstiegskampf – das ist ja tödlich für eine Mannschaft. Jens ist ja ein guter Torwart, aber was sollen denn die Verantwortlichen jetzt denken? Das hat doch keinen Nutzen mehr. Die Stuttgarter Führung wird jetzt abwägen: Nutzt oder schadet Lehmann der Mannschaft mehr?

Als Krönung seines Auftrittes legte sich Lehmann noch mit einem Fan an, riss ihm die Brille vom Kopf, gab sie ihm erst nach ein paar Sekunden auf dessen Bitte wieder. Ist man da als Torwart so im Konzentrations-Tunnel?

Was heißt hier Tunnel? Wenn ich die Kabine verlasse, muss ich da mal rauskommen, den Tunnel verlassen in der normalen Welt ankommen – sonst leide ich doch unter Realitätsverlust.

Vielleicht lebt er nach dem Motto „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s gänzlich ungeniert“?

Als Außenstehender musst du ja den Eindruck bekommen, dass er womöglich seinen Rauswurf provoziert. Er muss jetzt mal zu sich kommen und sich fragen: Hoppla, was mache ich da eigentlich? Vielleicht hält er sich jetzt mal den Spiegel vor. Vielleicht wäre es besser für ihn, wenn er jetzt aufhört. Wer weiß, wozu das noch führt.

Interview: Patrick Strasser

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