Interview

Julia Simic: "Wir brauchen Glück – und den Fußball-Gott"

Deutschland ist im EM-Fieber: Im Traumfinale trifft die deutsche Mannschaft auf Gastgeber England. Ex-Nationalspielerin Julia Simic erklärt in der AZ, wie sich das DFB-Team durchsetzen kann.
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AZ-Kolumnistin während der Fußball-Europameisterschaft 2022: Ex-Bayern-Fußballerin Julia Simic.
AZ-Kolumnistin während der Fußball-Europameisterschaft 2022: Ex-Bayern-Fußballerin Julia Simic. © Sven Hoppe/dpa, privat

AZ-Interview mit Julia Simic: Die 33-jährige Ex-Nationalspielerin war bis zu ihrem Karriereende 2021 unter anderem beim FC Bayern, AC Mailand und West Ham United aktiv. Bei dieser EM ist sie Kolumnistin in der AZ.

AZ: Frau Simic, nach dem Spiel gegen Frankreich sagte Torhüterin Merle Frohms, dass die deutsche Mannschaft den Sieg mehr wollte. Der entscheidende Faktor?
JULIA SIMIC: Die Mannschaft wirkt stabil, willensstark, selbstbewusst. Das reicht von Merle im Tor bis zu Poppi (Stürmerin Alexandra Popp, Anm. d. Red.). Sie hat von Anfang an gesagt, sie fährt zu dieser EM, um zu gewinnen. Das hat etwas mit der Mannschaft gemacht. Sie geben alles, schrecken vor nichts zurück. Das haben sie bewiesen.

Im Finale spielt das DFB-Team gegen England, eine körperlich wie mental extrem starke Mannschaft.
Die Engländerinnen haben bewiesen, welche individuelle Qualität und welchen Spielplan sie haben. Beide Teams müssen über die hundert Prozent gehen. England mit seinen Fans im Rücken im ausverkauften Wembley-Stadion ist ein wenig favorisiert, aber wer spielt schon gern gegen Deutschland?

Simic: "Die Engländerinnen sind die Pressingmaschine des Turniers"

Was macht die Kulisse aus?
Deutschland wirkt locker und gelassen. Sie haben mehr Lust aufs Gewinnen als Angst vor dem Verlieren. Wenn man sich darauf besinnt, was man geleistet hat und dass man bei niemandem auf dem Zettel stand, ist das ein Riesenerfolg. Diesen Rückenwind muss man mitnehmen und es als Bonusspiel ansehen, ohne zu verkrampfen.

Was muss die deutsche Mannschaft trotzdem besser machen?
England ist ausbalancierter in der Spielanlage. Sie sind die Pressingmaschine des Turniers. Keine Mannschaft hat einen so guten Plan gegen den Ball wie die Engländerinnen. Ellen White braucht nicht viele Chancen, Beth Mead braucht nicht viele Flanken, um den Ball dort hinzubringen, wo sie ihn haben will. Die Engländerinnen vereinen individuelle Klasse und Teamgeist. Sie holen sich die Bälle gern früh, das darf die deutsche Mannschaft nicht zulassen. Sie dürfen die Bälle nicht verlieren, müssen schlau stehen und dürfen kein zu hohes Risiko gehen.

England ist sehr offensivstark. Inwieweit wird die deutsche Abwehr an ihre Grenzen kommen?
Es ist wichtig, dass man defensiv gut steht und in der Viererkette noch wacher ist. England ist die abschlussstärkste Mannschaft des Turniers. Es gilt zu vermeiden, dass man England zum Abschluss kommen lässt. Das fängt viel früher als in der Viererkette an. Dazu muss man sie vor dem eigenen Tor weghalten. Man wird das Glück und den Fußballgott auf seiner Seite brauchen.

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Für die deutsche Offensivarbeit ist vor allem Alex Popp zuständig. Will sie all ihren Kritikern beweisen, dass sie es noch draufhat?
Poppi will es am ehesten sich selbst beweisen. Das Turnier war ein Selbstläufer, nachdem sie sich alles hart erarbeitet hat. Umso schöner ist es, dass daraus diese Märchenstory wurde. Wie sie das Team mitzieht, zeigt, wie wichtig sie ist. Poppi ist vor allem bei Flanken und Standards stark. Ihre Mitspielerinnen müssen sie in Position bringen, damit sie zu vielen Abschlüssen kommt.

"Alex Popp ist Vorbild für jeden Spieler und jede Spielerin"

Die ersten fordern, mit Alex Popp das Sturmproblem der Männermannschaft zu lösen. Inwiefern kann sie ein Vorbild für den Fußball sein?
Alex Popp ist Vorbild für jeden Spieler und jede Spielerin. Egal, auf welchem Level. Allein ihre Verletzungshistorie und ihr Kampf zurück, ihre Mentalität und Stärke im Kopf und auf dem Platz machen sie dazu. Sie ist nicht nervös, sondern will Spaß haben am Fußball, will rausgehen und spielen. Das zeichnet sie als Spitzenathletin aus.

Alex Popp hat entscheidenden Anteil daran, dass die deutsche Frauen-Nationalmannschaft gut ankommt. Das Halbfinale sahen zwölf Millionen Zuschauer am TV. Gibt es damit endlich den entscheidenden Schub für Frauenfußball in Deutschland?
Alle hoffen, dass dieser Moment so lange wie möglich anhält. Der Erfolg ist dafür die Voraussetzung. Wir haben ein Bonusspiel, mit dem wir das Turnier vergolden können. Durch ihre sympathischen Auftritte haben die Mädels viele Fans dazugewonnen. Es gab Phasen, in denen nicht viele Zuschauer zu Länderspielen kamen. Jetzt gibt es die Chance, das zu ändern. Frauenfußball muss wieder sichtbarer werden.

Was muss dafür getan werden?
Man sollte die Spiele sehen können, dazu muss man die Uhrzeiten ändern. Zu Spielen um 12 Uhr mittags kommen nicht so viele Leute. Dazu sollte man mehr Eventcharakter schaffen, die Spiele in größeren Stadien stattfinden lassen, um Fans anzulocken. Man muss die Mannschaft besser vermarkten und die Vereine daran teilhaben lassen. Wir müssen die Leute begeistern, die Repräsentanz verbessern. Nur wenn Spiele gezeigt werden, kann man die Bundesliga fördern und internationale Topstars anziehen.

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Der FC Bayern hat das schon geschafft: Englands Topstar Georgia Stanway wechselt zur kommenden Saison nach München. Was passiert noch in der nächsten Zeit?
Auf nationaler Ebene wird die Riesenveränderung nicht von heute auf morgen zu sehen sein. Georgia Stanways Verpflichtung ist ein riesiges Ausrufezeichen, nach allem, was sie in diesem Turnier geleistet hat. Sie ist ein riesiger Mehrwert für die Bundesliga. Man braucht große Namen in der Liga.

Wie geht das Spiel aus am Sonntag?
Ich glaube, dass es ein 2:2 gibt und dann in die Verlängerung geht. Dann gewinnt Deutschland im Elfmeterschießen.

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