Joachim Löws Katastrophenjahr könnte doch noch gut enden

Nach dem 3:1-Erfolg gegen die Ukraine reicht der deutschen Nationalmannschaft gegen Spanien schon ein Remis zum Gruppensieg in der Nations League. Ein schwieriges Jahr könnte versöhnlich ausklingen.
von  Patrick Strasser
Joachim Löw hat eines der schwersten Jahre als Bundestrainer hinter sich - nun könnte 2020 für ihn dennoch versöhnlich enden.
Joachim Löw hat eines der schwersten Jahre als Bundestrainer hinter sich - nun könnte 2020 für ihn dennoch versöhnlich enden. © Robert Michael/dpa

Leipzig - Sergio Ramos, der Kapitän der Spanier, der fast so viele Tattoos wie Länderspiele auf dem Buckel (und nicht nur dort) hat, beschert der deutschen Nationalmannschaft eine riesige Chance. Weil Ramos seine nicht nutzte, zwei Mal. In der Partie der Spanier in der Schweiz verschoss der exzentrische Abwehrchef gleich zwei Elfmeter, und so blieb es in Basel beim 1:1.

Da die DFB-Auswahl im Parallelspiel die Ukraine durch den Doppelpack von Timo Werner und den Treffer von Leroy Sané mit 3:1 bezwingen konnte, bietet sich plötzlich eine vor Wochen noch ungeahnte, ja unvorstellbare Gelegenheit: Den Sieg in Gruppe vier der Liga A zu erringen und die Chance, neben Selbstvertrauen mit Blick auf die EM 2021, sogar noch nach einem Pokal zu greifen: dem Nations-League-Titel. Wann immer diese Endrunde in Zeiten von Corona ausgespielt wird - geplant ist: im Oktober 2021.

Joachim Löw will gegen Spanien gewinnen

Dieser erst zum zweiten Mal ausgetragene und bei vielen Fans höchst umstrittene Uefa-Wettbewerb (2019 hieß der Premieren-Sieger Portugal) hat keine Tradition, kaum Glamour und nur wenig sportliche Relevanz. Und dennoch bietet die Nations League eine Gelegenheit zur Wiedergutmachung. Vor zwei Jahren sportlich als Gruppenletzter eigentlich aus der Liga A abgestiegen, reist man nun plötzlich als Spitzenreiter zum Gruppenfinale nach Spanien. Dabei reicht am Dienstag in Sevilla ein Remis.

"Unser Anspruch ist es natürlich, nach Spanien zu fahren und zu sagen: Wir wollen das Spiel gewinnen und nicht irgendwas verteidigen", sagte Löw. Es werde "ein Spiel auf Augenhöhe", bemerkte Kapitän Manuel Neuer, der mit seinem 95. DFB-Einsatz den bisherigen Rekord-Nationaltorhüter Sepp Maier einholte. Neuer weiter: "Wir wollen am Dienstag gewinnen, nicht auf Remis spielen und ein Ergebnis verwalten."

Serge Gnabry befand: "Es schaut sehr gut für uns aus. Eine bessere Ausgangslage hätten wir uns nach den zwei Unentschieden am Anfang (im September gegen Spanien und in der Schweiz, d.Red.) nicht erträumen können. Jetzt haben wir den Vorteil, können mit breiter Brust ins Spiel gegen Spanien gehen."

Die Fans verlieren das Interesse an der Nationalmannschaft

Und das in einem Jahr, in dem die kontroverse Debatte geführt wurde, ob diese Länderspiele in dem künstlich geschaffenen Wettbewerb Nations League überflüssig seien. Noch dazu verfestigte sich der Trend, dass die Fans im Land des Weltmeisters von 2014 der Nationenvergleich außerhalb der Turniere zunehmend überdrüssig sind.

Zu Beginn dieser Länderspielwoche hatte DFB-Direktor Oliver Bierhoff einen emotionalen, mehr als zehnminütigen Monolog gehalten, um der schlechten Stimmung rund um die Nationalelf entgegenzuwirken. Diese entstand unter dem Eindruck sinkender TV-Quoten und schwindender Ticket-Verkäufe bei Heimspielen (schon vor der Corona-Krise). "Wir als Nationalmannschaft sind gerade nicht Deutschlands liebstes Kind. Wir sind nicht das Lagerfeuer der Nation", sagte Bierhoff. Er spüre, "wie eine dunkle Wolke über der Mannschaft" schwebe, doch das Team "kämpft, arbeitet". Und gewinnt. "In unserer aktuellen Situation helfen nur Siege, von daher war es ein gelungener Abend", brachte es Leon Goretzka auf den Punkt. Seit zwölf Länderspielen ist die DFB-Auswahl ungeschlagen.

Kann Joachim Löw die "dunkle Wolke" wegpusten?

Mit einem positiven Ergebnis in Andalusien könnte man am Ende des kurzen Länderspieljahres, in dem alle Spiele im Frühjahr sowie die EM wegen der Corona-Pandemie ausfielen, die dunkle Wolke wegpusten und Schwung holen für die bereits im März beginnende WM-Qualifikation und die EM im Sommer. Gelingt dem aufgrund seines Festhaltens an der Ausmusterung von Thomas Müller und Mats Hummels zuletzt viel kritisierten Löw in 2020 doch noch ein unverhofftes Happy End?

Der Boden für einen Stimmungsumschwung bei den Fans wäre bereitet, vor den Gruppenspielen gegen Frankreich, Portugal und Ungarn würde wieder Euphorie entstehen. Und rekordverdächtige TV-Quoten.

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