Jens Lehmann: Die Abmahnung kam per Einschreiben

Seine Kritik am VfB-Vorstand kommt den Stuttgarter Keeper teuer zu stehen. Manager Horst Heldt sagt: „Seine Aussagen sind von Egoismus geprägt.“
STUTTGART Mit welcher Laune Jens Lehmann am Sonntag ins Tor schreitet, darauf darf man gespannt sein. Dass er dort als Nummer eins stehen wird, scheint sicher. Den großen Krach in Form eines Rauswurfes hat man gescheut. Statt der „Roten Karte" für den aufmüpfigen Torwart, verhängte der VfB neben einer „angemessenen Geldstrafe" (angeblich 40000 Euro) eine Abmahnung wegen „vereinsschädigenden Verhaltens“, wie es Präsident Erwin Staudt sagte.
Per Einschreiben war Lehmann die Abmahnung in seiner Stuttgarter Zweitwohnung am Killesberg zugegangen. Als Staudt die Entscheidung bekannt gab, hatte es noch kein Gespräch mit Lehmann gegeben. „Wir werden das nachholen," sagte Staudt. Lehmann sei wegen diverser Termine unterwegs gewesen.
Zuletzt hatte der Keeper gedroht, noch mal nachzulegen, was seine Kritik am Verein betrifft. Er sollte es sich gut überlegen: Nach zwei weiteren Abmahnungen droht die fristlose Kündigung. Sein Verhältnis zum Vorstand und Teilen der Mannschaft gilt als zerrüttet.
Lehmann hatte vor dem Spiel gegen Unirea Urziceni gesagt, er könne sich nur schwer für den Abstiegskampf motivieren. Der Verein habe sich zudem bei der Entlassung von Markus Babbel von den Leuten auf der Straße erpressen lassen. Er habe bei den Fan-Ausschreitungen eine Gruppe „pubertierender Jugendlicher“ gesehen, was „wohl den Ausschlag gegeben hat, den Verein dazu zu bewegen, Entscheidungen zu treffen". Und: „Anscheinend hat es Leute im Vorstand und auch in der Mannschaft gestört, dass ich nicht immer zum Regenerationstraining gekommen bin.“ Sondern daheim am Starnberger See ausspannte.
In Stuttgart ist man der Eskapaden des Ex-Nationaltorwarts überdrüssig, kann sich aber einen Rauswurf nicht leisten. „Seine Äußerungen haben mich schon überrascht", sagte Babbel-Nachfolger Christian Gross, „aber seine Erfahrung ist jetzt extrem gefragt." Die Abmahnung wird als letztes Warnsignal verstanden.
Gefühlt hat Jens Lehmann in dieser Saison mehr oder Skandälchen produziert, als der VfB Punkte gesammelt hat. Zu seinen sinkenden Sympathiewerten trug Lehmann wie ein Akkordarbeiter bei. Seine „Pinkelpause“ im jüngsten Champions-League-Spiel habe aber beim Strafmaß keine Rolle gespielt, hieß es.
Lehmanns Aussagen hatte Manager und Vorstand Sport Horst Heldt deftig gekontert: „Seine Aussagen sind von Egoismus geprägt. Er meint, er sei ein Führungsspieler, aber außerhalb des Platzes macht er nichts. Leider hat Jens noch immer nicht verstanden, was in einer Gemeinschaft wichtig ist."
Oliver Trust