Inger Nilsson im AZ-Interview: "Pippi und Zlatan sind wohl Geschwister im Geiste"
EM-Gespräch mit Inger Nilsson: Die 62-jährige Schwedin wurde als Darstellerin der Pippi Langstrumpf berühmt. Sie arbeitet weiterhin als Schauspielerin (etwa in der TV-Serie "Die Kommissarin und das Meer").
AZ: Frau Nilsson, Sie sind die legendäre Darstellerin der noch legendäreren Pippi Langstrumpf. Wie ist denn das Leben dieser Tage in Schweden? Das Land ging in der Corona-Krise einen anderen Weg als fast alle anderen Nationen, man setzte nicht auf Lockdown, ließ nahezu alles offen, was ja auch zu Infektionen in der Nationalelf geführt hat.
INGER NILSSON: Ja, das stimmt, die Zahlen gehen jetzt auch bei uns nach unten, was sicher großteils an den fortschreitenden Impfungen liegt. Auch ich habe meine erste Spritze bereits erhalten. Aber das Leben hat sich gar nicht so sehr verändert hier in Stockholm. Leider legen noch immer viele Schweden keine große Vorsicht an den Tag. Dabei ist das Virus wirklich gefährlich. Ich weiß, wovon ich rede.
Inger Nilsson: "Corona war eine furchterregende Erfahrung!"
Sie waren selber infiziert?
Ja, im Oktober. Es war eine erschreckende und auch furchterregende Erfahrung. Ich hatte einige Tage sehr hohes Fieber, mir ging es wirklich nicht gut. Ich war zwar nicht im Krankenhaus, aber ich hatte große Angst, denn man weiß ja einfach nicht, wie der Verlauf ist. Wird es noch schlechter? Auch jetzt spüre ich noch ein paar Nachwirkungen. Mein Kopf fühlt sich manchmal an, als sei er in Wolken, ich vergesse mehr. Daher kann ich nur allen raten: Passt auf. Hier in Schweden müssen wir ja keine Masken im Freien tragen. Es gibt die Empfehlungen, dass man im öffentlichen Nahverkehr eine Maske tragen soll, aber bei uns läuft das nicht mit Vorschriften, sondern nach dem Motto: Bitte, bitte. (lacht) Ein Vorteil, den ich persönlich von Corona habe, ist, dass die Menschen mehr Abstand halten.
"Ich bin Inger - Pippi war eine Rolle"
In Schweden kennt und erkennt Sie wirklich jeder Mensch, oder?
Ja, das ist so. Und alle wollen einen immer in den Arm nehmen, ein Selfie machen, ganz nahe an mich rankommen, weil alle denken, dass sie mich kennen, nur weil sie Pippi Langstrumpf kennen. Aber ich bin Inger, Pippi war eine Rolle, die ich vor langer Zeit gespielt habe. Ich liebe Pippi, aber ich bin nicht sie.
Diese Popularität dürfte in Schweden sonst fast nur noch Fußball-Star Zlatan Ibrahimovic haben...
Ganz Schweden war euphorisch, als er sein Comeback in der Nationalmannschaft erklärt hat. Er ist das Gesicht, das jeder kennt. Den Rest der Nationalmannschaft würden viele nicht erkennen, aber Zlatan? Es gibt niemanden, der zu ihm keine Meinung hat. Er wäre der Star gewesen, den das schwedische Team gebraucht hätte. Die Trauer war hier groß, als er für die EM verletzt absagen musste. Aber alles in allem freuen sich die Schweden auf das Turnier. Die WM 2018 in Russland, das war hier wie eine große Open-Air-Party, die Leute haben alle auf den Straßen die Spiele geschaut, gefeiert. Das wird jetzt so nicht gehen. Es ist schon erstaunlich, wie ein Virus unsere Welt verändert hat. Wir hatten so viel Glück, dass unsere Generation keine Kriege erleben musste, aber wie zerbrechlich dieses normale Leben ist, sehen wir ja jetzt.
Ihre Meinung zu Zlatan?
Was für eine Karriere er hatte! In Schweden fürchten die Leute jedes Jahr, dass es das letzte seiner Karriere sein wird, aber dann macht er immer noch weiter. Er ist sehr interessant, ein Rebell. Ganz er selbst.

Pippi - Zlatans "Schwester im Geiste"
Ein bisschen wie Pippi.
Vielleicht sind sie Brüder im Geiste - oder Schwestern. (lacht)
Sehen Sie Pippi heute noch als eine Art Vorbild für Mädchen, die jetzt aufwachsen? Mut, Selbstvertrauen, der Wille, ganz man selbst zu sein, all das ist ja Pippi.
Stimmt - und in der Beziehung sehe ich sie wirklich als ein Rollenmodel. Wobei ich zugeben muss, dass ich Pippi lange Zeit gar nicht so sehr analysiert habe, weil es mir alles ein bisschen zu viel war. Pippi hat Inger fast ein bisschen erdrückt, daher musste ich erstmal ganz Inger sein. Aber die Figur der Pippi ist eine wundervolle für Kinder - auch heute noch.
Bei allem Abstand, den Sie zu dieser Figur gewonnen haben, macht es Sie auch stolz, dass Pippi, der Sie im Fernsehen leben verliehen haben, immer noch so beliebt ist, dass die Fußball-Fans bei den Turnieren scharenweise mit Pippi-Perücke ins Stadion gehen?
Ich muss lachen, wenn ich das sehe. Bei der WM 2018 gab es einen Bericht über einen Schweden, der für viel Geld nach Russland gereist war, sich sündteure Tickets gekauft hatte, und dort so betrunken war, dass er in die Schweden-Flagge gehüllt, mit der Pippi-Perücke auf dem Kopf vor dem Stadion auf einer Bank das Spiel verschlafen hat. Da dachte ich mir: Wie dumm kann man sein - trink doch erst danach.

"Ich liebe die Figur Pippi"
Das wäre Pippi nie passiert.
(lacht) Nein. Wie gesagt, ich liebe die Figur, aber ich habe über die Jahre viel Abstand dazu gefunden. Sie hat mir viel ermöglicht, etwa als junger Mensch Astrid Lindgren, die Autorin dieser wunderbaren Kinderbücher, kennenzulernen. Sie war einer der interessantesten Menschen, dem ich je begegnet bin. Wir haben über Gott und die Welt geredet. Wer kann das schon von sich sagen?
Inger Nilsson, nicht Pippi.
Genau.
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