HSV vor Spießrutenlauf - Werder-Kampf um Existenz
Der einstige Nord-Schlager zwischen dem Hamburger SV und Werder Bremen wird zum Duell der Enttäuschten. Nach dem Derby-Fiasko gegen den "kleinen" Stadtrivalen FC St. Pauli (0:1) erwartet den HSV ein Spießrutenlauf vor den eigenen Fans, die nach diversen Rückschlägen sauer sind.
Hamburg "Nach der historischen Niederlage gegen St. Pauli kann keiner zur Tagesordnung übergehen. Selbst ein Sieg über Werder wäre nicht viel wert", glaubt Ralf Bednarek. Der Chef der "Supporters", beim schlingernden Traditionsclub mit rund 60 000 Mitgliedern die größte Fan-Gruppe, erwartet heftige Proteste der Anhänger, die im Fan-Forum schon ihrem Unmut über die "Söldner-Truppe" Luft machten.
Rund um den Volkspark ist fast schon von Endzeitstimmung die Rede. "Vieles liegt im Argen. Man kann als Team nur erfolgreich sein, wenn auch abseits des Rasens Harmonie herrscht", sagte HSV-Idol Uwe Seeler in einem Radio-Interview. Und das ist beim HSV, der sich nach neun Punkten aus den ersten vier Rückrunden-Spielen auf dem richtigen Weg wähnte, nach der frustrierenden Derby-Schmach nicht der Fall. Zumal zu der personellen "Baustelle" - weder die Zukunft von Clubboss Bernd Hoffmann noch von Sportchef Bastian Reinhardt oder von Trainer Armin Veh ist geklärt - nun auch noch eine sportliche hinzugekommen ist.
Ein Sieg über Werder wäre wichtig, aber wohl nicht genug. "Es wäre ein kleines Pflaster auf einer großen Wunde", meinte Hoffmann. Denn bei einem weiteren Misserfolg wäre die Krise da. Dann würde, wie so oft in der Vergangenheit, wohl erneut die Trainerfrage gestellt. Rudi Gutendorf, der vor knapp 34 Jahren die erste und bis Mittwoch einzige Pleite als Coach gegen St. Pauli (0:2) erlitt, ist sicher, dass Veh vor dem Aus steht. "Ich glaube nicht, dass er diese Niederlage überstehen wird", sagte der 84 Jahre alte Trainer-Weltenbummler, der 1977 nur gut einen Monat nach dem Pauli-Sieg beim HSV gefeuert wurde, der "Bild"-Zeitung.
Veh aber hofft, mit einem Dreier gegen Werder "wieder in die Spur" Richtung Europacup-Plätze zu kommen. "Unser Ziel muss sein, wieder aufzustehen", so der Coach, der Umstellungen plant. Selbst Ex-Kapitän David Jarolim und Torjäger Ruud van Nistelrooy müssen bangen.
Allerdings wird Werder dem HSV nichts schenken. Im Gegenteil: Bei nur einem Punkt Vorsprung auf Relegationsplatz 16 steht das 94. Liga- Duell für die Bremer im Zeichen des Abstiegskampfes. "Das Spiel hat eine andere Brisanz, wenn beide oben stehen, das hätte ich natürlich lieber. Aber Brisanz ist immer drin. Man weiß, wie packend das ist", sagte Clubchef Klaus Allofs. Der Ausfall von Torjäger Claudio Pizarro (Oberschenkelzerrung) trifft Thomas Schaaf hart. Denn die anderen Offensivspieler wie Marko Arnautovic, Denni Avdic oder Sandro Wagner haben bisher keine Bäume ausgerissen - die einstige "Torfabrik" Werder Bremen hat in der Rückrunde bisher nur fünf Treffer erzielt.
Ein Hoffnungsschimmer ist die mögliche Rückkehr von Mittelfeldmann Wesley, der eine Sehnenverletzung auskuriert hat. Im Tor vertritt Sebastian Mielitz erneut den gesperrten Tim Wiese, der bei Nord- Duellen oft die Reizfigur der HSV-Fans war. Doch auch auf den Rängen scheint die Luft etwas raus zu sein. Werder verkaufte nur 3500 von 5500 Gästekarten. Gar nicht ins Konzept passte Schaaf der St. Pauli- Sieg: "Die HSV-Spieler haben zwar Kraft gelassen, werden sich aber körperlich fit präsentieren. Sie wollen sich sicherlich den Frust von der Seele spielen, da kommt das Nord-Derby gerade recht."