Hotel der DFB-Elf: Geblockt bis zum Finale
Am Montag beziehen Löw und Co. das idyllische Hotel Dwor Oliwski nahe Danzig. Die AZ hat sich dort vorab umgeschaut
Die größte Herausforderung hat Wolfgang Hochfellner zu bewältigen. Er ist Busfahrer der Nationalmannschaft. Um zum „Dwor Oliwski”, ab Montagnachmittag das Quartier der Nationalmannschaft während der EM in Polen und der Ukraine, zu gelangen, muss er durch ein Nadelöhr. Denn eine einzige Straße, gepflastert mit Natursteinen, rechts und links Bäume, deren Äste an die Fenster schlagen, führt zur Adresse Bytowska 4, Oliwa, im Hinterland von Danzig. Ein kurioses Anwesen, dieser liebevoll restaurierte Gutshof aus dem 17. Jahrhundert mit barockem Charme. Denn: Es steht inmitten einer Dorf-idylle.
Wenn Lahm & Co. aus dem Fenster schauen, blicken sie während der Busfahrt in Schrebergärten, die direkt ans Hotel angrenzen, eine kleine Fischzucht gleich um die Ecke. Kommt man von der Danziger Altstadt gefahren, schüttelt es einen. Erstens wegen des Kopfsteinpflasters und zweitens wegen der trostlosen Mixtur aus verfallenen Häusern und anderen Bausünden des Kommunismus.
Das ist die eine Seite. Denn der Danziger Stadtteil Oliwa (20000 Einwohner) gilt auch als Nobelort. Hier hat sich auch Nationalheld Lech Walesa, der ehemalige polnische Gewerkschaftsführer, ein Privatschloss hinstellen lassen, nur einen Katzensprung vom „Dwor Oliwski”, zu deutsch: Olivenhof. Seit Sonntag schon ist diese einzige Zufahrtsstraße von der Polizei gesperrt. Man kommt nur noch mit Sondergenehmigung durch, die Anlage wird bewacht.
Am Nachmittag soll der DFB-Tross eintreffen, die Vorbereitungen laufen seit Herbst 2011. Damals hatte man das Quartier gebucht, rechtzeitig, denn die Franzosen und Spanier waren auch interessiert. „Es war Liebe auf den ersten Blick”, sagt DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. Selbst als die Auslosung der Vorrunde im Dezember drei weite Reisen in die Ukraine bescherte, blieb man bei der Wahl. „Wir stehen zu dieser Entscheidung”, sagte DFB-Teammanager Oliver Bierhoff, „wir stehen zu Danzig.” Und zum Olivenhof im „Dolina Radosci”, dem „Tal der Freude” wie die Altstadt von Oliwa genannt wird.
Bis zur Abreise zum Finale nach Kiew (1. Juli) wollen die DFB-Kicker hier residieren, das Hotel ist vier Wochen geblockt. Mit Wellness-Bereich, Saunen und Whirlpool. Es ist alles DFB-Area: Sämtliche 70 Zimmer, darunter elf Junior- und zwei Luxus-Suiten – zu anderen Zeiten kostet eine Übernachtung im Doppelzimmer ab 110 Euro. Das Schmankerl-Zimmer: DFB-Koch Holger Stromberg könnte, wenn er diesen Raum wählt, direkt in die Küche gelangen.
Überhaupt: Es ist die Herberge der kurzen Wege. Nur acht Kilometer vom Hotel zum Trainingsplatz, dem „Lechii”-Stadion (siehe Kasten), nur 15 Kilometer zum Flughafen. Es weht ständig eine angenehme Brise von der Danziger Bucht, dort an der Ostsee können die Spieler auch mal einen Strandspaziergang machen. Doch Vorsicht! In Sopot, dem Bade- und Kurort nur wenige Kilometer entfernt, werden viele deutsche Fans ihr Quartier beziehen. Auch die Spanier, Italiener, Iren und Kroaten, die in der Danziger Arena, Vorrundenspiele bestreiten. Dann lieber die Idylle im Tal der Freude.
Am Montagnachmittag gibt es eine öffentliche Trainingseinheit, die Karten für die einheimischen Fans waren umsonst. „Die letzten Trainingstage vor unserem Auftakt gegen Portugal sind immens wichtig", sagte Bundestrainer Joachim Löw.
Ab Dienstag sind die Einheiten teils nur für die Medien zugänglich. In Oliwa sollen sich die Spieler an Ort und Stelle endgültig auf die EM einschwören, an den Abenden sind Taktik-Sitzungen, Besprechungen und Videoanalysen zu Auftaktgegner Portugal geplant. Am Freitag geht es von Danzig nach Lemberg zum Austragungsort der ersten Partie (20.45 Uhr, ARD live).
Noch in der Nacht erfolgt jeweils der Rückflug von den Spielorten. Man will sich am nächsten Tag „zu Hause” erholen. Denn: Ab Montag ist das Motto: Gekommen, um zu bleiben. Am liebsten bis zur Abreise nach Kiew, zum Finale.