Interview

Hitzlsperger: "Todesstrafe für Homosexualität ist nicht zeitgemäß"

Ex-Profi Thomas Hitzlsperger sprach an der VHS über die wachsende Rolle des Sports für die Zivilgesellschaft. Im Interview mit der AZ beleuchtet er die brisante Situation im WM-Land Katar.
von  Thomas Becker
Ex-Fußballprofi Thomas Hitzelsperger blickt der WM in Katar skeptisch entgegen.
Ex-Fußballprofi Thomas Hitzelsperger blickt der WM in Katar skeptisch entgegen. © imago images/DeFodi

AZ-Interview mit Thomas Hitzlsperger: Der 40-Jährige spielte 52 Mal für Deutschland, wurde 2007 deutscher Meister mit Stuttgart und bekannte sich 2014 zur Homosexualität.

AZ: Neulich haben Sie als "Botschafter Vielfalt" zum DFB-Team gesprochen, Tipps für den Umgang mit dem Thema Katar gegeben. Oliver Bierhoff meinte, der Fußball habe eine Verantwortung. Ist das so?
THOMAS HITZLSPERGER: Die wird ihm auferlegt. Das wissen alle, die dabei sind. Das wird genutzt, um Spieler populärer zu machen, und die wiederum nutzen das, um Interessen kundzutun und Marken zu werden. Zugleich haben sie eine Verantwortung für das, was sie öffentlich sagen. Sie werden häufig gefragt, deshalb müssen sie aufpassen, weil sie eine große Zuhörerschaft haben. Fußball ist so populär, dass da automatisch eine Verantwortung dahinter steht.

Es gibt wenige Profis, die sich zu heiklen Themen äußern.
Weil den Spielern oft das Wissen fehlt. Viele haben nicht das Bedürfnis, sich über die Zustände in Ländern zu informieren. Die haben andere Prioritäten, andere Hobbies. Die wollen Fußballer sein. Und plötzlich sollen sie zu solchen Themen etwas sagen. Sie merken: Das ist sehr heikel. Eine falsche Aussage und schon haben sie drei Tage Theater. Das wollen sie vermeiden und sagen eher selten etwas.

Sie waren aus Boston zugeschaltet, hatten also keinen direkten Kontakt zu den Spielern. Gab es Feedback?
Es gab schon positive Resonanz. Zwei, drei Leute haben mir erzählt, dass die Spieler zumindest aufmerksam zugehört haben. Ich habe versucht, einfach und klar zu sagen, dass eine Chance darin steckt, sich zu äußern, so wie das Leon Goretzka tut. Der hat ein ernsthaftes Interesse an Menschenrechten und dem Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus. Ich habe ihnen aber auch gesagt, dass sie das Recht haben, wenn sie sich nicht sicher sind, zu sagen: ‚Ich kann und will dazu nichts sagen.'

Baustelle Katar: Die Arbeitsbedingungen im Land des WM-Gastgebers sind schon seit vielen Jahren ein heikles Thema.
Baustelle Katar: Die Arbeitsbedingungen im Land des WM-Gastgebers sind schon seit vielen Jahren ein heikles Thema. © picture alliance/dpa/kyodo

Wo sind Sie während der WM?
Wohl hier in Deutschland, vielleicht kommentiere ich das in irgendeiner Form. Genau kann ich das noch nicht sagen.

Waren Sie schon mal in Katar?
Noch nicht, deswegen bin ich da eher zurückhaltend.

Die ARD plant mit Ihnen eine Doku über den WM-Gastgeber.
Ich werde mir vor Ort ein Bild machen, wenn auch nur für kurze Zeit. Danach kann man anders darüber sprechen.

Todesstrafe für Homosexuelle: Eine Reiseempfehlung kann man da nicht gerade abgeben...
Ich weiß nicht, ob es Ziel ist, den Tourismus anzukurbeln, so wie in Dubai. Todesstrafe für Homosexualität ist nicht zeitgemäß. Das muss sich ändern.

Wenn man als Sportler von der Fifa eine WM in Katar vorgesetzt bekommt: Das ist schon hart, oder?
Das wurde ja vor vielen Jahren schon entschieden. Heute stecken die Spieler alle so im Tagesgeschäft. Für viele wird das erst jetzt präsent, wenn es viele Presseanfragen dazu gibt. Die Bayern-Spieler kennen das jedoch schon von ihren Trainingslagern dort: "Oh, jetzt kommt das Thema wieder!"

 

Der FC Bayern bereitet sich seit Jahren in Doha auf die Saison vor, allen Protesten zum Trotz. Gute Trainingsbedingungen gibt es ja auch noch an ein paar anderen Flecken auf diesem Planeten. Hat der Klub die Katar-Millionen für diese Werbeveranstaltung nötig?
Das ist die Frage. Ich kenne die genaue Summe nicht, aber ich glaube, dass sie da schon sehr viel Geld bekommen. Das zu haben oder nicht haben macht anscheinend auch für den FC Bayern einen Unterschied. Es ist ja nicht so, dass die Lufthansa ihnen genauso viel geben würde, wenn sie in Frankfurt trainieren würden. Sie wollen mit den besten Klubs in Europa konkurrieren, und da brauchen sie einen Sponsor dieser Größenordnung. Ich glaube nicht, dass sie Spaß daran haben, aber sie kommen einfach nicht raus

Auch wenn ihnen die Fans bei der Mitgliederversammlung deswegen aufs Dach steigen.
Das war für die Bayern sicher ein prägendes Erlebnis. Daraus müssen sie ihre Lehren ziehen, was sie getan haben: Oliver Kahn und Herbert Hainer haben mit mehreren Fans gesprochen. Fußball spielen und das Geld nehmen: Das reicht heute nicht mehr. Aber wenn Bayern die Champions League gewinnt, ist die Stadt wieder voll.

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