Hinten dicht, vorne dünn: Die DFB-Elf muss cleverer werden
Bukarest - Dem Mann des Spiels war das Zustandekommen des 1:0 gegen Rumänien einerlei. Serge Gnabry hatte das Goldene Tor in Bukarest erzielt, sein 15. Tor im 19. DFB-Einsatz, und konnte sich bei der Beurteilung des WM-Qualifikationsspiels beim wohl stärksten Gruppengegner auf dem Weg zum Winter-Turnier 2022 etwas Nonchalance erlauben.
Hart erkämpfter Sieg im zweiten WM-Qualifikationsspiel für DFB-Elf
"Wichtig sind für uns die drei Punkte, am Ende ist es egal, wie wir sie geholt haben", sprach der 25-Jährige, räumte jedoch ein: "Wir hätten das Spiel viel, viel früher entscheiden müssen, haben uns das Leben selbst schwergemacht." Dass die Gastgeber in der Schlussphase mutiger wurden und zu einigen guten Chancen kamen, trübte den insgesamt ordentlichen Eindruck der DFB-Auswahl beim zweiten Erfolg im zweiten WM-Qualifikationsspiel, zugleich Folge zwei der Abschiedstournee von Bundestrainer Joachim Löw, der nach der EM im Sommer aufhört. Die Richtung stimmt. Aber nur so ungefähr.
Und so war es Gnabrys dicker Kumpel vom FC Bayern, Joshua Kimmich, der Klartext sprach: "Wir hatten zwar die Kontrolle, aber wir haben es trotzdem nicht geschafft, das Spiel zu entscheiden. Wir hätten es einfacher gestalten können. In der 90. Minute haben wir noch Glück, dass sie nicht den Ausgleich machen. Das wäre die Rache gewesen." Die Rache wofür?
Tor durch Serge Gnabry führte bei Nationalmannschaft zu Fahrlässigkeit
Trotz ihrer spielerischen Überlegenheit und der daraus resultierenden Dominanz blies bei Gnabrys Tor nach 16 Minuten, die deutsche Elf ging in der Folge mit ihren Chancen viel zu verschwenderisch, ja fahrlässig um. Daher wurde es am Ende nochmal eng. Aus seinem Tor heraus beobachtete Kapitän Manuel Neuer das unbefriedigende Treiben der Seinen im Angriff und kritisierte anschließend: "Da fehlt die Coolness, die Cleverness und vielleicht auch der letzte Wille, in der Box das Tor dann auch zu erzielen."
Dabei hatte das 3:0 letzten Donnerstag zum Jahresauftakt gegen Island so viel Hoffnung gemacht. Nun der Rückschritt. Was? Rückschritt? "Auf gar keinen Fall", widersprach Gnabry energisch. "wir haben gut gespielt, uns die Chancen gut rausgespielt. Wir müssen in der zweiten Halbzeit die Dinger machen."
Bundestrainer Löw kritisiert Chancenverwertung
Gegen die Nummer 37 der Fifa-Weltrangliste hatte Löw erneut auf seinen Dreierangriff mit Gnabry, dessen Bayern-Teamkollegen Leroy Sané und Kai Havertz vom FC Chelsea vertraut. Havertz blieb im Gegensatz zum Island-Spiel diesmal ohne Tor, bereitete jedoch Gnabrys Treffer (seit der WM 2018 kommt er in 17 Länderspielen auf 18 Torbeteiligungen) perfekt vor. "Das war super schön herausgespielt mit dem guten letzten Pass von Kai", lobte Löw das Duo, "beide haben gut sehr harmoniert."
Dennoch: Das eine Tor war viel zu wenig. "Wenn man was kritisieren kann, dann vielleicht die Chancenverwertung", befand Löw, "da müssen wir noch konzentrierter, noch eiskalter sein. Daran müssen wir arbeiten in der Vorbereitung. Bei der EM gibt es Gegner, die ein 1:0 auch wettmachen können, in solchen Spielen ist ein 2:0 dann auch für die Psyche wichtig."
Viererabwehr-Kette macht sich auch ohne Süle und Halstenberg gut
Wie gut, dass erneut die Null stand - was in den acht Länderspielen im Herbst 2020 nur ein einziges Mal der Fall war. Die Viererabwehr-Kette mit Lukas Klostermann, Matthias Ginter, Antonio Rüdiger und Emre Can sammelte Pluspunkte in Abwesenheit von Niklas Süle und Marcel Halstenberg. Besonders Can überzeugte.
"Der Emre war links richtig, richtig stark", bemerkte der Bundestrainer, "er war sehr ballsicher, körperlich sehr stark." Hinten dicht, vorne dünn. Insgesamt zeigte sich Löw zufrieden, machte rein spielerisch "einen Fortschritt zum letzten Jahr" aus und sah, dass "der Hunger jetzt groß" sei. Aber das ist doch immer so: In Turnier-Jahren kommt der Appetit von ganz alleine.