Hauptsache Visum!

Kreisklasse-Keeper Ngemba Evans Obi stand für den SV Heimstetten II nur einziges mal im Tor: Während eines unbedeutenden Freunschaftskicks. Jetzt ist er plötzlich Nationalspieler für Nigeria. Die Karrierewendung wirft viele Fragen auf.
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Schafft Evans Obi wirklich den ganz großen Sprung? Seine Fähigkeiten als Torwart sind jedenfalls nicht unumstritten.
az Schafft Evans Obi wirklich den ganz großen Sprung? Seine Fähigkeiten als Torwart sind jedenfalls nicht unumstritten.

Kreisklasse-Keeper Ngemba Evans Obi stand für den SV Heimstetten II nur einziges mal im Tor: Während eines unbedeutenden Freunschaftskicks. Jetzt ist er plötzlich Nationalspieler für Nigeria. Die Karrierewendung wirft viele Fragen auf.

MÜNCHEN Das Online-Nachschlagewerk Wikipedia spuckt ja zu allem und jedem was aus. Selbst zu Kreisklasse-Torwart Ngemba Evans Obi. Allerdings heißt es bei ihm: „Lösch-Antragstext. Erfüllt momentan kein Relevanzmerkmal. Kein Profi-Einsatz, kein Länderspieleinsatz. Die Nominierung fällt eher unter die Kategorie: Kurioses.“

Der Länderspiel-Einsatz könnte jetzt zwar kommen, doch in einem Punkt hat die Enzyklopädie natürlich recht: Die Berufung von Evans Obi in die Nationalmannschaft Nigerias ist so kurios wie sensationell. Der Torwart, der beim SV Heimstetten II gemeldet ist, wird plötzlich Nationalspieler, sitzt heute beim Länderspiel Nigeria gegen Kolumbien auf der Bank, als Ersatz für Austin Ejide vom französischen Zweitligisten SC Bastia. Wie konnte das passieren?

Hat ihn die Visabehörde nominiert?

Es heißt, der 24-Jährige habe seine Nominierung den Einreisevorschriften zu verdanken. Der nigerianische Fußballverband NFF konnte für die regulären Kräfte kein Visum für die Einreise nach Kolumbien beschaffen. Ein Visum für den in Europa spielenden Torwart war jedoch zu haben – so kam Obi zum Zug. Und saß plötzlich im Flieger Richtung Cali.

Hatte ihn also quasi die Visabehörde nominiert? Einen sportlichen Grund kann es kaum geben. Denn Evans Obi hat, seit er im Sommer zum SV Heimstetten wechselte, genau ein einziges Spiel gemacht: Einen Vorbereitungskick, der so unbedeutend war, dass sich Trainer Frank Schmöller nicht einmal mehr an den Gegner erinnern kann.

Schmöller, der ehemalige Bundesliga-Stürmer des Hamburger SV, sagt: „Es ist natürlich eine tolle Sache für Evans und den Verein. Aber machen wir uns nichts vor: Nach deutschen Verhältnissen schafft er es bis in die Landesliga. Dann ist Schluss.“

Doch dafür müsste es Obi zunächst mal in der Kreisklasse schaffen, denn Trainer Schmöller hat ihm den 18-jährigen Nachwuchskeeper Florian Preußer vor die Nase gesetzt.

Zudem fehlte Obi die vergangenen vier Wochen wegen eines Todesfalls in der Familie, zu Hause in Nigeria. „Selbst ein Olli Kahn wäre nicht erste Wahl, wenn er so lange fehlen würde“, sagt Schmöller, der Obis Spielweise für sehr modern hält, manchmal fast zu modern: „Er kommt oft raus. Manchmal wirkt das etwas unkoordiniert.“

Viel mehr, als dass er die Torwartrolle auch als Libero-Position interpretiert, weiß jedoch niemand über ihn. Auch nicht Michael Matejka, Heimstettens Manager. Nur so viel: Er habe eine Freundin namens Carmen und verdiene als Schichtarbeiter sein Geld. Er kam vom Münchner Bolzplatzklub Academy Africa, habe sich in Heimstetten vorgestellt, wollte mal mitkicken.

Berater und "billge Juwelen"

Bei Academy trauert man indes noch immer dem Keeper mit den Feldspielerambitionen hinterher: Vorstand Paul Mayonga sieht seinen Ex-Keeper sogar auf Bundesliga-Niveau. Zwar bezeichnet sich Mayonga als „Mentor“ und Evans Obi als „meinen Schützling“ – aber wann und wie er nach Deutschland kam, weiß auch er nicht. Nur so viel noch: Für Lagos soll er mal in der 1. Liga gespielt haben.

Mayonga, der sich seit Obis Karrierewendung wieder brennend für seinen Schützling interessiert, möchte ihn nun schnell bei einem großen Verein sehen. Frank Schmöller indes fürchtet: „Wahrscheinlich sind jetzt einige Berater aufgeschreckt worden, die glauben, sie könnten sich ein billiges Juwel schnappen.“ Dann seufzt Schmöller und sagt: „Wissen Sie, im Fußball sind die Wege oft unergründlich.“

Reinhard Keck

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