Hansis Huh: Gegen Island sind Wikinger-Qualitäten gefragt
Stuttgart - Das letzte Nationalelf-Tor auf Island? Ist 'ne Weile her. Am 26. Mai 1979 erzielte der langjährige Bayern-Stürmer Dieter Hoeneß, damals kurz vor seinem Wechsel nach München noch in Diensten des VfB Stuttgart, einen Doppelpack beim 3:1 in Reykjavík.
Fast vergessen wie die DFB-Premiere im Land der Wikinger im August 1960. Beim 5:0 steuerte Charly Dörfel zwei Treffer bei. Wer das nicht weiß? Vulkanasche über sein Haupt.
Im Ernst: Haften geblieben ist der bisher dritte und letzte Auftritt einer deutschen Nationalelf Anfang September 2003 auf Island - nicht wegen des Spiels, einem schrecklichen 0:0, sondern wegen eines explodierenden und Wutlava spuckenden Teamchefs. Beim Afterwork-Rededuell zwischen ARD-Moderator Waldemar Hartmann schimpfte Rudi Völler in Richtung Experte Günter Netzer, der das Gegurke als weiteren "Tiefpunkt" bezeichnet hatte: "Ich kann diesen Scheißdreck, der da immer gelabert wird, nicht mehr hören, diesen Käse!" Auch Waldi bekam bei Völlers Ausbruch einen mit: "Du sitzt locker bequem auf Deinem Stuhl und hast drei Weizenbier getrunken."
Deutsche Fußball- und Fernsehgeschichte. Hansi Flick (56) war damals Cheftrainer bei 1899 Hoffenheim, hatte den Oberligisten in die Regionalliga Süd geführt. Eben in jenem Jahr 2003 erwarb er den Trainerschein an der Deutschen Sporthochschule in Köln, wurde mit Thomas Doll als Jahrgangsbester ausgezeichnet.
Flick mit Völler-Ausraster? "Es ist bei mir definitiv nicht vorstellbar"
"Ich glaube, ich habe es damals nicht live gesehen, sondern erst im Nachgang mitbekommen", sagte der Bundestrainer vor der Abreise nach Island zum WM-Qualifikationsspiel diesen Mittwoch (20.45 Uhr, RTL live). Er wisse nicht mehr, wo er damals gewesen sei, erklärte Flick in Stuttgart.
Ob er, im Grunde stets sachlich und selbstbeherrscht auch mal so Ruuudi-mäßig ausflippen könne? "Es ist bei mir definitiv nicht vorstellbar", meinte Flick und fügte mit einem Schmunzeln hinzu: "Im Moment ist ja auch Lothar Matthäus mit dabei." Sein Kumpel ist Experte am RTL-Mikrofon. Eruptionsgefahr also gleich null bei Flick, der beteuerte, er "würde das in der Form nie machen".
Der Tross der Nationalelf brachte ja auch keine Wut, sondern Euphorie mit auf den rund vierstündigen Flug am Dienstagnachmittag Richtung Nordatlantik. "Wir sind absolut happy mit dem, was bei uns gerade passiert", sagte Flick, der noch im Abschlusstraining in der Heimat erneut "eine hohe Bereitschaft" gespürt habe, "den Ball früh zurückzugewinnen und unter Druck gute Lösungen zu finden".
Flick sagte voller Zufriedenheit: "Das war einfach gut." Er habe das Gefühl, seine Mannschaft habe die Spielidee "verinnerlicht", der deutlich aktivere Ansatz "tut uns gut".
Nach dem Stotter-Start gegen Liechtenstein (2:0) hat der Neuanfang unter dem Löw-Nachfolger mit dem furiosen 6:0 gegen Armenien Fahrt aufgenommen. "Wir wollen unter Beweis stellen, dass dies keine Eintagsfliege war", sagte Leon Goretzka: "Wir wollen die Leistung bestätigen." Die von Flick ausgerufenen und eingeforderten Schlagworte Tempo, Mentalität und Leidenschaft will er auch in der subpolaren Klimazone Reykjavíks bei seinem Team sehen - für den Abend des Spieltags werden übrigens acht Grad und 30 Prozent Regenwahrscheinlichkeit vorhergesagt. Nicht allzu rau und grausig.
Island: Schlachtruf "Huh!" wurde zu ihrem Markenzeichen
Dennoch sind Wikinger-Qualitäten in den Zweikämpfen gefragt, da die Nordmänner "kopfballstark und bei Standards sehr kreativ" seien, warnte Flick. Die Isländer, einst die Heimat der wildesten Horde alter Krieger, die auf hohe See gingen, eroberten 2016 bei der EM in Frankreich die Herzen der Fans weltweit als sie im Achtelfinale England ausschalteten. Der Schlachtruf "Huh!" ihrer fröhlichen Anhänger wurde zum Markenzeichen.

Damit es in der am nördlichsten gelegenen Hauptstadt der Welt (269 Kilometer südlich des nördlichen Polarkreises) nach dem Spiel zu keinem Wutanfall à la Völler kommt "sollten wir zusehen", so Goretzka, "dass Hansi nach dem Spiel nicht in eine ähnliche Situation gerät."