Hans Sarpei: "Ich habe gelernt, meine Hautfarbe zu lieben"

Der 43-jährige frühere Bundesliga-Profi ist eine Kultfigur in den Sozialen Medien. Bei RTL2 ist Hans Sarpei der Anker der Sendereihe "Abgestempelt!? Hans Sarpei will’s wissen" (Dienstag, 20.15 Uhr).

AZ: Herr Sarpei, Sie, der ehemalige Bundesliga-Profi, sind der Fixpunkt der neuen RTL2-Reihe "Abgestempelt!?", die sich unter anderem der Themen Rassismus und Jugendkriminalität annimmt. Wie oft wurden Sie selber abgestempelt?
HANS SARPEI: Eigentlich das ganze Leben. Der Alltagsrassismus war mein ständiger Begleiter. Es geht in der Kindheit los, wenn man beim Einkaufen ist und ein anderes Kind seiner Mama sagt: "Schau mal da, der ist ganz schwarz, was ist mit dem?" Und die Mama meint: "Das ist ein Neger" – und dabei diesen Tonfall benutzt, der klar macht, dass dies für sie etwas Minderwertiges ist. Das sind Erlebnisse, die einen immer begleiten. Als Kind kann man nicht verstehen, was da passiert, warum man schlechter sein soll. Aber man versteht, dass das Wort Neger einen herabwürdigt. Damit hat man von Anfang an zu kämpfen.
Hans Sarpei spricht über erlebten Rassismus
Auch im Fußballstadion haben Sie üble assistische Beleidigungen erfahren müssen.
Klar, es gab etwa ein Spiel in Cottbus, wo ich mit Bananen beworfen wurde und das ganze Stadion Affengeräusche gemacht hat. Das bleibt für immer in deinem Kopf. Da musst du sehr stark sein und für dich kämpfen, um deine Ziele zu erreichen. Eines meiner Ziele ist es, dass ich, der ich in der Öffentlichkeit stehe, auf die Problematik aufmerksam mache. Ich persönlich werde nicht mehr so häufig rassistisch angegangen. Aber das nur, weil ich ein bisschen prominent bin. Deswegen will ich meine Position nutzen, um für die, die das Gleiche erleben, aber keine Bühne haben, zu sprechen. Ich kann eine Stimme für die sein, die keine Lobby, keine eigene Stimme haben. Daher habe ich, als RTL2 mit der Idee der Sendung auf mich zukam, zugesagt.

Sind Sie eher der Typ, der der Bibel entsprechend die andere Wange hinhält oder der, der sich zur Wehr setzt?
Es gibt Situationen, in denen man die andere Wange hinhält, aber auch Momente, wo das nicht geht. Ich bin ein zurückhaltender Mensch. Ich habe gelernt, vieles mit Humor zu überspielen. Das ist eine andere Art, die andere Wange hinzuhalten. Opfer rassistischer Beleidigungen zu sein, tut extrem weh. Gerade bei den ersten Malen. Es ist ein Schock, wenn man eine Bahn besteigt, sich mit seinem Ticket in die erste Klasse setzt und der Schaffner – ohne überhaupt meine Fahrkarte sehen zu wollen – sagt: "Die zweite Klasse ist da hinten!" Nur, weil er glaubt, dass ich mir mit dieser Hautfarbe die erste Klasse nicht leisten kann. Man gewöhnt sich nie dran, aber man lässt es später als Selbstschutz nicht mehr so nah an sich heran. Es ist oft leichter, die andere Wange hinzuhalten. Später habe ich es humorvoll gekontert, gesagt: "Ich bleibe trotzdem hier, solange mich keiner kontrolliert." Da lacht der Schaffner, sagt: "Dann muss ich sie wohl kontrollieren." Ich zeige ihm die Karte, man fühlt sich sogar ein bisschen gut, weil man den anderen etwas veräppeln konnte. Der Humor hilft. Aber tief in dir drin, tut es weh.
"Das ganze Stadion in Cottbus hat Affengeräusche gemacht"
Das Bild des Clowns, der hinter der Maske des Lachens Tränen verbirgt...
...dieses Bild passt in solchen Momenten sehr gut. Der Humor ist oft meine Waffe, um den Schmerz zu lindern. Den Schmerz, den der Rassismus verursacht.
Hat aus Ihrer Sicht der Alltagsrassismus eher zu- oder abgenommen?
Der war immer da. Früher, so vor 20, 25 Jahren war es noch schlimmer. Da haben die Menschen am Stammtisch viel extremer geredet. Danach ist es etwas abgeklungen. Einige Zeit haben sich die Leute nicht getraut, all das zu sagen, aber das ändert sich leider gerade. Man merkt jetzt, wie viele Leute diesen Rassismus in sich haben, sich aber gar keine Gedanken darüber machen. Es gibt so Momente, da kennst du einen anderen eigentlich ganz gut: Und dann sagt er: "Diese ganzen Schwarzen, die müssen alle raus aus Deutschland. Aber du nicht. Du bist super." Und du versuchst, ihm zu erklären, wie rassistisch das gerade war. Aber er versteht es nicht, weil er sich nicht für rassistisch hält. Weil es fast wieder normal ist, rassistische Dinge zu sagen. Das ist das Gefährliche daran. Denn Rassismus darf nie Normalität sein oder werden. Nie.
Welche Rolle spielt in Ihren Augen das Internet, die sozialen Medien dabei?
Nun, da verstecken sich die Leute halt hinter Fake-Namen und -Profilen und fühlen sich in der Anonymität sicher, Dinge zu sagen, die sie sich nie trauen würden, dir ins Gesicht zu sagen. Klar gibt es auch die, die dir diese Beleidigungen Angesicht zu Angesicht sagen, aber das ist die Minderheit. Die Mehrheit traut sich nur, weil sie sicher sind, dass ihnen nichts passieren kann. Deswegen muss man sich Gedanken machen, ob es nicht besser wäre, dass sich alle Leute in den sozialen Medien, mit Ausweis und nachgewiesener Identität anmelden müssen, damit man weiß, wer dahinter steckt. Vielleicht würden es sich die Leute dreimal überlegen, was sie da so absondern, wenn sie wissen, dass sie dafür geradestehen müssen, belangt, angezeigt werden können.
Rassismus ist ein Gift...
...für die Seele und die Gesellschaft. Kein Kind kommt als Rassist zur Welt. Diese Saat wird von den Erwachsenen gesät. Wenn ein Kind bei meinem Anblick fragt, "wieso ist der schwarz?", können die Eltern sachlich erklären, der kommt aus Afrika, da sehen die Leute eben anders aus. Wenn man das normal erklärt, nimmt das Kind das auch als etwas wahr, was anders, aber eben normal ist. Wenn aber gesagt wird, das ist ein Neger und weniger wert, dann wird Hass geschürt und den kriegst du kaum mehr aus den Köpfen raus. Als Kind versteht man all das nicht. Man denkt sich nur: Warum habe ich diese Hautfarbe? Was ist an mir anders? Du denkst: Wäre ich weiß, hätte ich es leichter. Die Leute würden mich nicht so doof anschauen oder auslachen. Als Kind sieht man selber keinen Unterschied, den sehen nur die anderen. Die sehen ihn aber so stark, dass sie dich hassen. Mit der Zeit lernt man, habe ich gelernt, mich und meine Hautfarbe zu lieben. Der Weg dorthin war schmerzhaft und von Beleidigungen und Herabwürdigungen begleitet.
Ihre Botschaft nach all diesen schmerzlichen Erfahrungen?
Man sollte Andersartigkeit zelebrieren und nicht als minderwertig abstempeln. Bis das aber jeder versteht, wird es sehr lange dauern. Ich hoffe, es setzt sich durch, damit meine Kinder es einfacher haben als ich. Wir sind auf einem guten Weg gewesen, den dürfen wir nicht wieder verlassen.
Sarpei spricht über seine RTL2-Sendung
Da niemand frei von Vorurteilen ist, wann haben Sie zuletzt selber jemand abgestempelt?
Wir alle stempeln Leute ab, stecken sie von der ersten Sekunde an in eine Schublade. Keiner von uns ist davor gefeit. Deswegen glaube ich auch, dass das Format der Sendung so schön ist. Weil jeder überlegen kann, wo habe ich das letzte Mal jemand abgestempelt. Muss ich offener sein? Freier sein? Es wird dir in vielen Bereichen ein Spiegel vorgehalten. Und der, der sich traut, reinzusehen, wird erkennen, dass auch er abstempelt. Deswegen sollte man sich selber stetig hinterfragen und nicht mit dem anklagenden Zeigefinger herumlaufen und auf andere deuten – sondern auch mal auf sich selbst.
Bekanntlich zeigen mehr Finger auf einen, wenn man mit dem Zeigefinger auf andere deutet.
Stimmt, aber für diese Einsicht und Erkenntnis braucht man oft jemanden, der einen darauf hinweist. Die meisten sehen nur den Finger, der von einem wegweist, der auf die anderen zeigt.
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