Gut gebrüllt, Löw!

Ballack, Frings, Adler – der Bundestrainer behält mit seinen Entscheidungen erneut Recht: „Er hat alles richtig gemacht.“
DORTMUND Als Jogi Löw nach dem Sieg gegen die Russen Richtung ARD-Studio eilte, legte er plötzlich eine Vollbremsung hin. Mit schmerzverzerrtem Gesicht begann er, sein rechtes Bein auszuschütteln – ein Krampf! Es war der einzige an diesem Abend, ansonsten lief es blendend für den Bundestrainer. Beim 2:1 hatte nicht nur sein – beim FC Bayern verschmähter – Lieblingsstürmer Lukas Podolski wieder getroffen (siehe unten), auch alle anderen Personalentscheidungen waren goldrichtig. Gut gebrüllt, Löw!
Die AZ-Analyse:
MICHAEL BALLACK
Der 32-Jährige stand unter Druck vor der Partie. Der Capitano, zur Zeit in eine Dauerfehde mit Teammanager Oliver Bierhoff verwickelt und wegen seines Führungsstils im Team umstritten, musste beweisen, dass es mit ihm besser läuft. Zuletzt hatte er, wieder einmal angeschlagen, drei Partien aussetzen müssen. Und Ballack strengte sich diesmal richtig an. Er machte sein bestes Spiel für den DFB seit Monaten, traf zum 2:0. Danach legte er sich den Zeigefinger auf die Lippen. Das sollte heißen: Die Kritiker mögen schweigen! Doch es war Löw, der Ballack mit dem neuerlichen Konkurrenzkampf Beine gemacht hatte: Niemand habe einen Stammplatz sicher. Nun erklärte der Bundestrainer: „In den entscheidenden Momenten war er da, hat gut organisiert und die Mannschaft geführt. Er ist der unbestrittene Kapitän.“ Solange er so spielt wie am Samstag.
TORSTEN FRINGS
Fit und trotzdem nur auf der Bank – ein völlig neues Gefühl für den DFB-Routinier. Der 31-jährige Frings, seit der Ära Rudi Völler einer der Leistungsträger im defensiven Mittelfeld, fand sich in Dortmund auf der Ersatzbank wieder. Löw ersetzte ihn gegen die Russen ausgerechnet durch den fünf Jahre jüngeren Stuttgarter Thomas Hitzlsperger – und es passte. „Diese Entscheidung ist mir sehr schwer gefallen“, behauptete Löw hinterher und lobte den VfB-Kapitän in den höchsten Tönen: „Thomas Hitzlsperger ist ein sehr handlungsschneller Spieler, der Situationen schnell erfasst. Er sollte sich, wenn möglich, um Arschawin kümmern, Ich denke, er hat das sehr gut gelöst.“ Sogar Kapitän Ballack, eigentlich Frings-Kumpel, lobte die Rochade: „Wie soll man das bewerten? Ich denke, der Trainer hat alles richtig gemacht.“ Nicht nur Frings weiß seit Samstag, dass Löw, der einstige Klinsmann-Assistent, keine Scheu mehr davor hat, große Namen durch Newcomer auszutauschen. Dies gilt übrigens auch für den formschwachen Innenverteidiger Christoph Metzelder, der stets als Löw-Liebling galt. Der Reservist von Real Marid wurde erst gar nicht nominiert. Am Samstag durfte erneut der Schalker Heiko Westermann ran – und überzeugte.
RENÉ ADLER
Es ist schon ein wenig ungewöhnlich, geradezu mutig, ausgerechnet im wichtigsten WM-Qualifikationsspiel einen Debütanten ins Tor zu stellen. Aber die Premiere von René Adler verlief herausragend. „Er hat gezeigt, was er schon zuvor ausgestrahlt hatte. Eine unglaubliche Ruhe, Souveränität und eine richtige Gelassenheit“, lobte Löw den 23-Jährigen. Mit dem Coup hat der Bundestrainer auch gleich das Torhüter-Problem gelöst. Adler ist bis auf weiteres die Nummer eins. Der Leverkusener werde auch am Mittwoch gegen Wales (20.45 Uhr, ZDF live) und beim Freundschaftsspiel gegen England spielen.
Sebastian Bütow