Giovane Elber: "Die Deutschen sind bei einem Turnier immer Favoriten"
München - AZ-Interview mit Giovane Elber: Der Brasilianer spielte von 1997 bis 2003 bei Bayern und arbeitet nun als Markenbotschafter für den Klub.
AZ: Herr Elber, am Donnerstag (13.30 Uhr/ARD und Eurosport) trifft die deutsche Auswahl zum Auftakt des olympischen Fußballturniers auf Brasilien. Es kommt zur Finalrevanche für 2016, als die Seleção 5:4 im Elfmeterschießen gewann. Was erwarten Sie diesmal?
GIOVANE ELBER: Wieder mal ein schönes Spiel. Wie immer, wenn Deutschland auf Brasilien trifft. Dass wir das olympische Finale 2016 in Rio gewonnen haben, war für uns Brasilianer ganz, ganz wichtig. Es wäre für uns das Schlimmste gewesen, auch das noch gegen Deutschland zu verlieren, nachdem sie 2014 im WM-Halbfinale schon 7:1 gegen uns gewonnen haben. So war es das erste olympische Gold für uns. Und das in Rio – und auch noch gegen Deutschland.

Ist Brasilien nun wieder der Favorit?
Ich glaube, es gibt keinen Favoriten, auch wenn Deutschland vielleicht nicht in Bestbesetzung antritt. Es ist halt trotzdem Deutschland, das immer ein Team und eine Turniermannschaft war und ist. Brasilien hat sehr großen Respekt.
Brasilien bei Olympia – diesmal ohne Neymar
Wie stark sind die Brasilianer ohne Neymar, der dieses Mal nicht dabei ist?
Die Mannschaft ist sehr gut, spielt hervorragenden Fußball. Das sind alles gute Spieler, von denen viele im Ausland spielen. Cunha, den man von Hertha kennt, hat zum Beispiel im letzten Spiel zwei Tore geschossen. Wir haben das Zeug dazu, olympisches Gold zu gewinnen.
Mit Dani Alves (38), früher unter anderem beim FC Barcelona (2008 bis 2016) aktiv, ist ein echter Altstar im Kader. Da hätten Sie ja fast auch noch mal Ihre Fußballschuhe schnüren können, oder?
(lacht) Das ist schon Wahnsinn, aber das zeigt auch, wie wichtig es für uns Brasilianer ist, unbedingt bei Olympia dabei zu sein. Ich glaube nicht, dass Dani Alves so etwas eigentlich noch braucht. Er ist ja schon der Brasilianer, der die meisten Titel gewonnen hat. Es ist schön, zu sehen, dass er immer noch hungrig ist und jetzt auch noch versucht, die olympische Goldmedaille zu gewinnen.
Nur 18 Spieler im deutschen Olympia-Aufgebot
Stefan Kuntz hat sich dagegen einige Absagen eingehandelt und nun gerade mal 18 Spieler zusammenbekommen. Sie rechnen trotz des Rumpfkaders mit der DFB-Auswahl?
Die Deutschen sind bei einem Turnier immer Favoriten, egal mit welchem Kader sie antreten. Weil sie als Mannschaft funktionieren. Auch wenn das erste Spiel vielleicht nicht so gut läuft. Wenn sie danach einen Lauf bekommen, stehen sie dann plötzlich trotzdem im Endspiel. Das hat Stefan Kuntz auch mit seinem Team bei der U21-EM gezeigt. Spanien war eigentlich besser, aber am Ende hat eben doch Deutschland gewonnen. So sind halt die deutschen Mannschaften. (lacht)

Das Testspiel gegen Honduras brach die DFB-Auswahl ab, weil Jordan Torunarigha auf dem Feld rassistisch beleidigt wurde. Bei der Europameisterschaft gab es ähnliche Vorfälle. Wie besorgniserregend ist diese Entwicklung?
Es macht mich sehr traurig, das alles zu sehen. Nicht nur im Fußball, auch am Wochenende in der Formel 1 wurde Lewis Hamilton rassistisch beleidigt. Menschen zu diskriminieren, geht gar nicht. Rassismus ist ein Unding. Ich hatte eigentlich gehofft, dass wir mittlerweile in einer besseren Welt leben, vielleicht auch durch die Pandemie etwas gelernt haben. Aber das stimmt leider nicht: Viele haben gar nichts gelernt.
Erwarten Sie, dass die Athleten jetzt auch bei den Olympischen Spielen wieder Zeichen gegen Rassismus setzen werden?
Es haben ja schon alle gesagt, dass sie Rassismus absolut nicht tolerieren. Mir wäre es am liebsten, es bräuchte solche Gesten - wie auf die Knie zu gehen - gar nicht. Sie sind aber offensichtlich nötig. Denn leider gibt es immer wieder Leute, die sich rassistisch äußern. Schon zu meiner Zeit als Spieler kam es da zu Vorfällen. Wir müssen uns alle immer wieder klar gegen Rassismus positionieren und deutliche Zeichen setzen, dass Diskriminierung ganz egal welcher Art keinen Platz haben darf.
Wie stehen Sie generell dazu, dass solche Großereignisse wie die Europameisterschaft und nun Olympia inmitten der Corona-Pandemie stattfinden?
Die Pandemie ist noch lange nicht vorbei. Man muss nach wie vor aufpassen. Es wurde entschieden, dass die Olympischen Spiele ohne Zuschauer stattfinden. Ich werde sie aber am Fernseher verfolgen und freue mich darauf: Olympia ist Olympia. Man sieht viele Sportarten und Athleten, die normalerweise nicht so im Fokus stehen.

Wie groß sind Ihre Sorgen mit Blick auf die nach wie vor angespannte Corona-Situation in Ihrer Heimat Brasilien?
Unsere Politiker haben es verpasst, mehr Impfstoff zu bestellen und bis zum allerletzten Zeitpunkt damit gewartet. Sobald Impfstoff in Brasilien vorhanden ist, können die Leute auch sehr schnell geimpft werden, das hat man in den vergangenen Wochen gesehen. Aber nach wie vor sterben leider sehr viele Brasilianer durch die Coronavirus-Pandemie, in den letzten 24 Stunden allein wieder über 1.200. Diese Zahl muss so schnell wie möglich gesenkt werden. Deshalb wünsche ich mir, dass die Leute schnell geimpft werden.
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