Frankfurter Chaostage im Abstiegskampf
Die Eintracht-Ultras stürmen nach dem 0:2 gegen Köln das Feld – und zerstören eine 600.000-Euro-Kamera. Daum-Elf vor Abstieg
FRANKFURT Sie war nagelneu, sündteuer, hochempfindlich und angeblich sogar ein Unikat: die High-Speed-Kamera der DFL-Tochter Sportcast, die der ARD so schöne Bilder vom Spiel geliefert hatte, 3700 pro Sekunde, wie beim Tischtennis. Nun ist sie: Schrott, kaputt – und hoffentlich gut versichert. Nach Angaben der ARD kostet das Spezialgerät satte 600000 Euro. Ihr Problem: Sie stand im Weg.
Als nach dem 0:2 gegen den 1. FC Köln der Abstieg von Eintracht Frankfurt so gut wie besiegelt war, brannten bei etwa 150 der berüchtigten Frankfurter Ultra-Hooligans mal wieder die Sicherungen durch. Eine Woche nach dem Warnschuss eines Polizisten, nach 19 Festnahmen und mehreren Stadionverboten drehte der harte Kern der Anhänger erneut durch, stürmte nach dem Schlusspfiff aufs Spielfeld und ließ sich erst von den Schlagstöcken und dem Pfefferspray der Polizei zurückdrängen. Dass in dem Durcheinander die teure Hinter-Tor-Kamera zu Bruch ging, ärgert die ARD wohl mehr als die Eintracht oder gar die Fans.
„Das ist furchtbar. Das sind ganz schlimme Bilder, die wir in Frankfurt nicht sehen wollen”, sagte Wilhelm Bender, der Aufsichtsratsboss der Eintracht. Vize-Präsident Axel Hellmann meinte: „Präsident Peter Fischer hat die Situation durch intensive Gespräche mit den Ultras gerade noch gerettet. Sonst wäre das hier alles eskaliert.”
In der Tat war es Fischer (53) gelungen, die Hooligans zu besänftigen. Flugs sprintete der Zwei-Meter-Mann bei Ausbruch der Randale in die Kurve, stellte sich praktisch zwischen Fans und Ordnungskräfte, nahm ein Mikro in die Hand und meinte: „Jetzt singen wir zusammen ,Wir sind alles Frankfurter Jungs’.”
Genauso kam es dann auch. Eine Stunde später hatten sich die frustrierten Frankfurter Jungs wieder beruhigt, redeten in aller Ruhe mit den frisch geduschten Eintracht-Profis, machten Fotos und ließen sich Autogramme geben. Polizeisprecher Jürgen Linker meinte, es habe keine Verletzten gegeben.
Der Unmut der Fans rührte von den Ergebnissen ihres Klubs: nur sechs Tore und acht Punkte in der gesamten Rückrunde, Absturz von Platz vier (11. Spieltag) auf den Abstiegsrang 17 – und nächste Woche geht’s zur Meisterfeier von Borussia Dortmund. „Unsere Ausgangslage ist die mit Abstand schlechteste. Der Abstieg würde uns um Jahre zurückwerfen”, sagte Vorstandsboss Heribert Bruchhagen, „in so extremen Situationen treten natürlich wieder diese Krawallfans in den Vordergrund. Das ist traurig für den Fußball, das ist traurig für Eintracht Frankfurt.”
Schon Stunden vor dem Spiel hatten sich 900 Ultra-Fans am Römer getroffen, um gegen die ausgesprochenen Stadionverbote zu protestieren. Die Polizei sperrte daraufhin die Straßen zum Hauptbahnhof ab, um ein Zusammentreffen mit den ungeliebten Köln-Fans zu verhindern. Dabei kam es zu 34 Festnahmen.
Auch am Montag wird das Training der Eintracht wieder unter Polizeischutz stattfinden. „Wir treten jetzt die Flucht nach vorne an”, sagte Interims-Trainer Christoph Daum, der ansonsten wenig Erhellendes zum ängstlichen Spiel seiner Mannschaft sagen konnte: „Ich kann jetzt nicht mit irgendwelchen Fakten kommen. Ich muss mich mit Durchhalteparolen oder Phrasen über Wasser halten.”
Auch Bruchhagen meinte, es wäre nun „fatal, zu resignieren”. In der Sport1-Sendung „Doppelpass” sagte er zu seiner umstrittenen Entscheidung, Christoph Daum als Trainer zu verpflichten: „Jetzt, wo wir mit leeren Händen da stehen, ist es sicherlich einfach, diese Maßnahme als erfolglos zu bezeichnen.” Vielmehr erinnerte er an denkwürdige letzte Spieltage mit Frankfurt: dem klassenerhaltenden 5:1 von Jan Åge Fjørtoft vor zwölf Jahren oder der verpassten Meisterschaft 1992 in Rostock. Damals trat übrigens Ralf Weber eine Fernsehkamera um. Kostenpunkt: 600.000 Mark.