FIFA-Boss Blatter: Krönung ohne Gegner

Sepp Blatter lässt sich von seiner Gefolgschaft erneut zum FIFA-Boss wählen. „Lassen Sie die Familie in Ruhe!“
Jens Weinreich |
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Zürich - Draußen vor dem Hallenstadion protestierte die Jugend. Zwei Dutzend Schweizer demonstrierten gegen die Machenschaften des Fußball-Weltverbandes FIFA, mit Plakaten wie: „Blatter verpiss Dich, niemand vermisst Dich!“  Testosterongeschwängerte Sicherheitsdienstler bewachten den Eingang. Journalisten wurden mit Muskelkraft an ihrer Arbeit gehindert, Delegierten des 61. FIFA-Kongresses Fragen zu stellen. Drinnen, hermetisch abgeschirmt, scharten sich die FIFA-Schäfchen eng um ihren Hirten. Die da drinnen scherten sich nicht um die da draußen

„Heute sind wir wieder vereint, solidarisch und in Einheit“, rief der ewige FIFA-Präsident Sepp Blatter (75) seinen Gefolgsleuten zu. Sie gewährten ihm  weitere vier Jahre ihre Unterstützung. Ernsthafte Debatten wurden nicht geführt. „Ekelhaft“, kommentierte die Zeitung „Daily Mail“. „Ich bin überzeugt, dass sie auch weiterhin selbstlos diesem bemerkenswerten Spiel dienen", telegrafierte dagegen Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin.

208 Nationalverbände gehören zur FIFA, 203 votierten am Mittwoch: 186 stimmten für Blatter, 17 gegen ihn. Doch nur ein Verband, die englische Football Association (FA), äußerte entschiedene Kritik. FA-Präsident David Bernstein forderte, die so genannte Wahl zu verschieben. "Eine Krönung ohne Gegner ist kein Mandat", sagte Bernstein.

Er wurde routiniert niederkartätscht von Blatters Prätorianern. Vor dem Kongress hatte MichelPlatini, Chef der Europäischen Fußball-Union (UEFA), noch flink ein Treffen arrangiert, die Europäer eingeschworen und versucht, die Engländer zu stoppen. Vergeblich. Blatter war alarmiert und schickte seine Leute ins Rennen: Delegierte aus den Fußball-Zwergstaaten Haiti, Kongo, Benin, Fidschi und Zypern verunglimpften die Engländer.

Zwei FIFA-Exekutivmitglieder übernahmen den Rest. Don Julio Grondona, der greise erste FIFA-Vizepräsident aus Argentinien, eine der vielen korrupten Figuren, und Angel Maria Villar Llona aus Spanien. Grondona, kaum noch des Redens mächtig, brabbelte in Richtung Bernstein: "Lassen Sie  die FIFA-Familie in Ruhe! Hören Sie auf, unsere Familie zu zerstören!" Den Reportern rief er zu: "Lügenjournalismus stört die FIFA-Familie." Villar Llona fabulierte: "Medienvertreter missbrauchen das heilige Recht der Information! Was für eine Schande!" Die FIFA-Familie sei "ein Vorbild für die Gesellschaft".

Es war eine Propagandashow. Künftig, das erste Mal frühestens 2019, will Blatter den Kongress über die Vergabe von Fußball-Weltmeisterschaften entscheiden lassen. Denn diese Doppelbewerbung für die WM 2018 und 2022, bei der Russland und Katar siegten, sei der Ursprung allen Übels gewesen, behauptet Blatter plötzlich. Was er nicht sagte: Es war allein er, der diese Doppelvergabe ausgeheckt hatte.

Zwei Gründe gab es dafür: Erstens ließen sich die notorischen Absahner im Exekutivkomitee dadurch besser bedienen. Zweitens konnte Blatter dadurch seinen Herausforderer Mohamed Bin Hammam lange Zeit an die Kette legen, weil der Katari aus Gründen der Staatsräson inne halten und lange mit seiner Kandidatur warten musste. Villar Llona, der während der Bewerbung einen spektakulären Stimmen-Deal mit Katar gemacht hatte, erklärte nun auf dem FIFA-Kongress: "Ich persönlich werde dafür sorgen, dass die WM 2018 in Russland und die WM 2022 in Katar ausgetragen werden!" Was immer passiere.

Da überschätzt sich Villar Llona kolossal. Sollten sich jene Gerüchte und Indizien über gigantische Bestechungszahlungen bei der WM-Bewerbung, die seit Dezember die FIFA-Welt erschüttern, belegen lassen, bräche ein Inferno aus. Was bisher geschah, waren nur erste Beben. Die Tsunami-Gefahr, über die der suspendierte Vizepräsident Jack Warner (Trinidad) mehrfach orakelte, ist längst nicht gebannt.

Blatter will nun eine „Lösungskommission“ gründen, besetzt mit den üblichen Verdächtigen wie etwa Henry Kissinger, der frühere US-Außenminister. Das Fußvolk klatschte. Er wurde auch vom DFB-Präsidenten Theo Zwanziger unterstützt. Der DFB steht felsenfest zu Blatter. Statt einer klaren Ansage, die grassierende Korruption in der Spezialdemokratie FIFA zu bekämpfen, huldigte Zwanziger dem Großen Vorsitzenden: „Wir gehören zu dieser Fußballfamilie. Wir sind der FIFA unglaublich dankbar.“

Vor und nach dem Kongress bemühte sich Zwanziger allerdings in etlichen Interviews, den Eindruck eines Reformers zu hinterlassen. Doch als es darauf ankam, hat Zwanziger geschwiegen und ist mitgeschwommen im „Ozean der Solidarität“ für Blatter, wie es der Claqueur von den Fidschi-Inseln formulierte.

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