Fall Amerell: Nächtlicher Besuch

„Spatzerl, ich muss dir die Wahrheit sagen!“ Margit Amerell erzählt, wie Ex-Schiri Wack sie anstiften wollte, ihren Mann zu beeinflussen
von  Abendzeitung
Margit Amerell, die Frau von Manfred Amerell, erhebt schwere Vorwürfe gegen Ex-Referee Franz-Xaver Wack.
Margit Amerell, die Frau von Manfred Amerell, erhebt schwere Vorwürfe gegen Ex-Referee Franz-Xaver Wack. © dpa

„Spatzerl, ich muss dir die Wahrheit sagen!“ Margit Amerell erzählt, wie Ex-Schiri Wack sie anstiften wollte, ihren Mann zu beeinflussen

MÜNCHEN Es sitzen zwar nur drei Personen am Tisch, aber trotzdem haben sie Namensschilder aufgestellt. Sicher ist sicher. Rechtsanwalt Lutz Pap-roth steht auf der einen Seite, Rechtsanwalt Jürgen Langer auf der anderen. In der Mitte, vor der Protagonistin, steht kein Schild. Es ist heruntergefallen. Liegt am Boden. Steht aber aufrecht, gut lesbar: Margit Amerell.

Sie ist Geschäftsfrau, führt mit ihrem Gatten ein Hotel in Augsburg. Ihr Mann heißt Manfred. Es gibt Vorwürfe gegen ihn, die keiner Ehefrau gefallen würden. Er soll junge Schiedsrichter bedrängt, sich ihnen sexuell genähert haben.

Margit Amerell sieht nicht gut aus. Sie ist blass, blickt leer in die auf sie gerichteten Objektive. Sie sitzt vor der Presse, im Königssaal des Münchner Nobel-Hotels „Bayerischer Hof". Meterhohe Spiegel, Stuckdecke mit Goldrand, mächtige Lüster, dicker Teppich. Sie muss warten, ihr Anwalt fehlt noch. Quälende Minuten voll dröhnendem Schweigen. Nur die Kameraobjektive klicken bei jeder ihrer Regungen.

Warum tut sich diese Frau das an?

Die Causa Manfred Amerell nimmt immer groteskere Züge an. Eine Schlammschlacht ist sie schon lange, nun meldet der Wetterbericht auch noch Dauerregen. Blitz und Donner nicht ausgeschlossen. Margit Amerell sitzt vor der Presse, weil sie von einem nächtlichem Besuch berichten will. Franz-Xaver Wack, ein ehemaliger Bundesligaschiedsrichter und Freund der Familie. Margit Amerell erzählt: Wack habe sie in der Nacht zum Samstag angerufen und um ein Gespräch gebeten. Um 0.15 Uhr sei er im Hotel der Amerells in Augsburg angekommen und habe sie mit ausgebreiteten Armen und den Worten begrüßt: „Spatzerl, du weißt gar nicht was los ist. Ich muss dir jetzt mal die Wahrheit sagen. Ich kenne alle Anschuldigungen von den zehn Männern. Sie haben sich mir alle anvertraut." Wack habe behauptet, er habe mittlerweile sämtliche Akten des DFB einsehen können und rate Amerell „sich zu stellen".

Bei einer Geburtstagsfeier eines Schiedsrichterkollegens habe Wack am 23. Dezember 2009 noch gemeint, man zwar nicht mehr viel retten, aber doch noch einiges. Nur: Woher wusste Wack zu diesem Zeitpunkt von den Anschuldigungen gegen Amerell?

Wie ihr Gatte erheben nun auch Margit Amerell und Anwalt Jürgen Langer schwerwiegende Vorwürfe gegen Wack. Dieser sei die zentrale Figur in einer Verschwörungskampagne. Sie stellten die Frage, wie es sein könne, dass Wack, der seit mehr als zwei Jahren nicht mehr für den DFB aktiv sei, Akteneinsicht bekomme, die Partei um Manfred Amerell aber immer noch nicht. Deswegen geht die Amerell-Fraktion nun, drei Tage vor dem Gerichtstermin gegen den DFB im Münchner Landgericht, in die Offensive. Anwalt Langer spricht von „skandalösen Umständen beim DFB" und von „einem System DFB, einem System Zwanziger".

Nachdem zum Gespräch im Hotel der Amerells auch noch Anwalt Langer dazugestoßen sei, habe Wack das Haus schnell verlassen. „Was? Der ist auch da? Dann sag ich kein Wort mehr", habe Wack gegen drei Uhr gesagt und sich ohne Handschlag verabschiedet. „Er kam als Freund und ging als Feind", sagt Langer. Am Tag darauf traf sich DFB-Präsident Theo Zwanziger in München mit Michael Kempter und drei weiteren Schiedsrichter, die Vorwürfe wegen angeblicher sexueller Belästigung gegen Amerell erhoben haben. Dabei trat Wack als „Vertrauensperson“ der Referees auf.

Im Königssaal ist Margit Amerell längst verstummt. Fragen an sie sind nicht erlaubt. Es spricht ihr Anwalt. Es geht um üble Nachrede, Verleumdung, Beleidigung, das Ausspähen von Daten, den Tatbestand der Beihilfe, um die Instrumentalisierung einzelner Personen. Eine unappetitliche Schlammschlacht. Nach einer Dreiviertelstunde ist es zu Ende. Margit Amerell verlässt mit ihrem Anwalt das Hotel. Sie nehmen den Seitenausgang. Draußen scheint die Sonne.

Thomas Becker

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