Ex-Bayern-Profi Jarolim: "...dann ist es mit dem WM-Traum vorbei"

David Jarolim (38) bestritt unter anderem für den FC Bayern und den Hamburger SV 318 Bundesliga-Spiele. 2014 wurde er bei Mlada Boleslav Sportdirektor. Für Tschechien kam er auf 29 Länderspiel-Einsätze.
AZ: Herr Jarolim, sind die Chancen für Ihren Vater Karel, mit der tschechischen Nationalmannschaft die DFB-Auswahl am Freitag in der WM-Qualifikation zu besiegen, nicht ziemlich gut? Wir sind am Anfang der Saison, viele Spieler haben noch keinen Rhythmus.
DAVID JAROLIM: Na ja, ich weiß nicht. Gegenfrage: Gibt es überhaupt einen guten Zeitpunkt, gegen Deutschland zu spielen? Gegen den Weltmeister? Es könnte vielleicht ein kleiner Vorteil sein. Wir müssen als Einheit, als echte Mannschaft auftreten. Der Druck liegt eigentlich nicht bei uns. Obwohl – doch. Ein bisschen schon.
Wieso?
Um im Duell mit Nordirland überhaupt noch eine Chance auf Platz zwei und damit Playoff-Spiele zu haben, müssten wir am Freitag gewinnen. Es ist die entscheidende Phase. Verlieren wir, ist es vorbei mit dem Traum von der WM.
Letztes Jahr im Oktober setzte es in Hamburg ein 0:3.
Da hatten viele unserer Spieler zu viel Respekt, übertriebenen Respekt. Diesmal sollten wir zu Hause befreiter spielen, ohne Angst.
Warum hängt der tschechische Fußball momentan so durch?
Wir haben vergangenen Sommer von Null angefangen, viele Spieler haben ihre Karriere beendet. Als ich Nationalspieler war, vor allem Mitte der 2000er Jahre, hatte ich es schwer, überhaupt mal 20 Minuten spielen zu können – und das, obwohl ich als Bundesliga-Profi vom Hamburger SV zu unserer Mannschaft gekommen bin. In unserer U21 und den Jugendnationalmannschaften haben wir einige Talente. Aber das wird dauern, zwei, drei Jahre höchstens noch. Hoffe ich.
Ihr Vater hat im August 2016 die Nationalelf übernommen – und Sie verlassen. Vor knapp einem Jahr arbeiteten sie noch als Trainergespann beim tschechischen Erstligaverein FK Mlada Boleslav. Ihr Vater als Chef, Sie als Assistent.
Es musste alles ganz schnell gehen. Vater wollte mich mitnehmen als Co-Trainer, doch das ging nicht. Ich habe ihm abgesagt, wollte beim Verein bleiben, um unsere Arbeit dort fortzuführen.
"Vater gilt als harter Hund"
Welche sind die Stärken Ihres Vaters als Trainer?
Er schaut nicht auf die Namen, nur auf die aktuelle Form. Er hat keine Angst, bestimmte Spieler einzuladen – egal, aus welcher Liga sie kommen.
FK Mlada Boleslav war auch Ihre letzte Karriere-Station als Aktiver. Ihr Trainer damals für ein halbes Jahr: Papa Karel.
Es hat gepasst, wir haben super zusammengearbeitet. Ich war Kapitän, wurde wegen meiner Erfahrung von den Mitspielern respektiert, er konnte sich auf mich verlassen. Wir sind von Platz fünf im Winter 2013/14 noch auf Rang drei geklettert. Vater gilt als harter Hund, der viel Wert auf Disziplin legt. So lässt er auch trainieren. Für mich war das nichts Neues, ich war das aus der Bundesliga gewohnt. In Tschechien haben so manche damit ihre Probleme.
Weil Sie wegen anhaltender Kniebeschwerden Ihre Karriere im Sommer 2014 beenden mussten, wurden Sie in Mlada Boleslav Sportdirektor, also Vorgesetzter Ihres Papas.
Ja, ich war der Chef (schmunzelt). Viele haben sich gefragt, wie das funktionieren soll. Aber in einem guten Vater-Sohn-Verhältnis kann man sich vielleicht noch ehrlicher die Meinung sagen. Es hat Spaß gemacht, wir haben uns für die Europa League qualifiziert.
Wäre der Erfolg ausgeblieben, hätten Sie Papa entlassen müssen.
Das wäre keine gute Idee gewesen. Ich habe dem Präsidenten gesagt: Wenn es schlecht läuft, gehe ich auch. Vater und ich hatten ja die Personalpolitik gemeinsam zu verantworten. Auch heute noch diskutieren wir viel miteinander. Auch wenn ich keine offizielle Funktion habe, will ich ihm – wenn nötig – helfen. Ich mache meinen Fußball-Lehrer, um die A-Lizenz zu bekommen. Damit ich dann als Cheftrainer arbeiten kann. Mein Traum wäre es, irgendwannzurückzukehren, vielleicht kann ich ja mal ein Praktikum machen.
Beim Hamburger SV, dem 1. FC Nürnberg oder dem FC Bayern – Ihren Stationen in Deutschland. Wissen Sie, dass Sie der einzige Tscheche sind, der jemals in einem Bundesligaspiel das Bayern-Trikot getragen hat?
Na klar! Leider waren es nur zehn Minuten (am 13. April 1999 beim 2:1 in Kaiserslautern, d.Red.). Die gesamte Zeit in München war eine gute Schule für mich, ich habe viel gelernt. Damals kam ich als 16-Jähriger aus Prag ins Internat der Bayern, ein Riesenschritt. Damals gab es kaum Handys, Internet war keine Selbstverständlichkeit wie heute. Meine Eltern konnte ich nur über Festnetz erreichen.
Mit wem haben Sie damals in der Bayern-Jugend zusammengespielt?
Mit Owen Hargreaves, Alexander Bugera, Christian Saba und Daniel Bierofka, dem heutigen Löwen-Trainer. Am meisten Kontakt habe ich noch nach Hamburg, schließlich war ich neun Jahre (2003 bis 2012, d.Red.) beim HSV.
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