Flick und die Nationalmannschaft taumeln weiter: Es reicht, Hansi!

Warum der angezählte Bundestrainer Hansi Flick nach dem desaströsen 1:4 der DFB-Elf gegen Japan endgültig nicht mehr zu halten ist – auch wenn er selbst das anders sieht: "Ich bin noch der richtige Trainer".
von  Patrick Strasser
Ein nachdenklicher Bundestrainer Hansi Flick: Ist er noch zu halten?
Ein nachdenklicher Bundestrainer Hansi Flick: Ist er noch zu halten? © IMAGO / Kirchner-Media

München - Trainingseinheiten mit Publikum gehören nicht zu liebsten Übungen für Profifußballer und deren Trainer. Doch diesen Sonntag hatte man das Gefühl, dass dieses öffentliche Bad in der Menge zumindest für den angeschlagenen Hansi Flick nach einer wohl quälend unruhigen Nacht etwas Balsam für die Bundestrainer-Seele war.

"Ich fighte weiter", rief er den exakt 2376 Fans (die Tickets waren kostenlos) am Sonntagmittag in Wolfsburg zu und freute sich über viele aufmunternde Rufe als Kontrast zu den bösen Pfiffen von den Rängen des Vorabends. Vorerst gehe es "normal weiter", meinte der 58-Jährigen zu den Anhängern. Nun ja – was man eben so als normal bezeichnet nach einem Samstagabend des Grauens.

Die Nationalmannschaft verliert das dritte Spiel in Folge: Das gab es zuletzt 1985

Es kam noch schlimmer bei der geplanten Revanche gegen die Japaner für die fatale 1:2-Auftaktpleite in Doha. Nach dem völlig verdienten 1:4 gegen den 20. der Weltrangliste, einem erneuten spielerisch demaskierenden Offenbarungseid, ein paar Zahlen als Beleg für das Ausmaß der Krise: Drei Länderspiele hintereinander hat eine deutsche Nationalelf zuletzt 1985 verloren.

Oder: Seit fünf Partien ist man ohne Sieg, hat von sechs Testspielen 2023 lediglich eines gewonnen (2:0 gegen Peru im März) und vier verloren. Schließlich drittens: Das 1:4 ist die zweihöchste Pleite in einem Heimspiel nach dem Zweiten Weltkrieg. Jenes 1:5 gegen England vor 22 Jahren musste Rudi Völler verantworten, der damalige Bundestrainer.

Bundestrainer Hansi Flick in der Kritik: Wie reagiert DFB-Präsident Bernd Neuendorf?

Nun muss der 63-Jährige in seiner Funktion als DFB-Direktor eine Entscheidung von großer Tragweite verantworten: Lässt er den sichtbar angeschlagenen, weil angeschossenen Bundestrainer Flick nur neun Monate vor der Heim-EM, für die Deutschland als Gastgeber automatisch qualifiziert ist – welch' Glück! – im Amt oder kann er sich gemeinsam mit Präsident Bernd Neuendorf und Vize-Präsident Hans-Joachim Watzke, zugleich DFL-Aufsichtsratsboss, dazu durchringen, einen Schlussstrich unter die zweijährige Ära zu ziehen?

Die Mienen sprechen Bände: DFB-Präsident Bernd Neuendorf, Vize Hans-Joachim Watzke und Sportdirektor Rudi Völler (v. li.).
Die Mienen sprechen Bände: DFB-Präsident Bernd Neuendorf, Vize Hans-Joachim Watzke und Sportdirektor Rudi Völler (v. li.). © IMAGO / Laci Perenyi

Noch vor oder nach der zu erwartenden nächsten Demütigung, wenn es am Dienstag in Dortmund (21 Uhr, ARD) gegen den spielstarken Vizeweltmeister Frankreich um Stürmerstar Kylian Mbappé geht? Oder – was wahrscheinlicher ist bei den langsam mahlenden Mühlen des Verbandes – in den Tagen danach? Am Sonntag setzten sich die Bosse zu einer Krisensitzung zusammen.

TV-Experte Lothar Matthäus: "Hansi Flick hat das Vertrauen verloren"

RTL-Experte Lothar Matthäus sagte in Wolfsburg: "Ich weiß ja auch, was in den letzten Monaten schon gelaufen ist beim DFB. Da haben nicht mehr viele hinter Hansi Flick gestanden. Rudi Völler, ja. Aber ob man ihn jetzt noch halten kann? Das bezweifle ich." Der DFB-Rekordnationalspieler weiter: "Ich höre es dann ja auch immer nur aus der Mannschaft. Ja, wir müssen den Trainer unterstützen. Aber irgendwas stimmt da nicht. Irgendwo hat er das Vertrauen verloren, das er sich mit großem Respekt beim FC Bayern erarbeitet hat."

Der Sieben-Titel-Trainer der Jahre 2020 und 2021 ist nur noch ein Schatten seiner selbst, seine Aussagen erinnern an Durchhalteparolen eines Trainers im Abstiegskampf, der nur noch auf Abruf im Amt ist. Es gäbe "verschiedene Positionen, wo wir sagen, da müssen wir uns steigern". Es helfe aber jetzt nicht, "untereinander Schuldzuweisungen zu tätigen", man habe "schön auf den Deckel bekommen", müsse da nun gemeinsam durch.

Hansi Flick hält sich weiter für den richtigen Trainer

Auf die Frage, ob der 58-Jährige noch der richtige Trainer sei, antwortete Flick trotzig, aber mit der systemimmanenten Portion Realismus: "Ich glaube es, aber ich weiß im Fußball ist sehr viel Dynamik drin." Er und sein Trainerteam "versuchen alles, um diese Mannschaft gut vorzubereiten". Ja, was denn sonst?

Flick weiter: "Ich finde, wir machen das gut und ich bin auch der richtige Trainer". Nein! Diesen erneuten tiefsten Tiefpunkt (Rudi Völler und Island 2003 lassen grüßen) darf er nicht im Amt überstehen. Es reicht, Hansi!

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