Erst Erfolg, dann Reißleine: Die Hansi-Flick-Saga

Der Bundestrainer startet stets erfolgreich in neue Aufgaben, aber er ist auch einer, der dann schnell die Reißleine zieht, wenn er sich nicht wohlfühlt.
von  Matthias Kerber
Bundestrainer Hansi Flick.
Bundestrainer Hansi Flick. © IMAGO/Sven Simon

Der Name Hansi, der übrigens auf Platz fünf der beliebtesten Namen männlicher Wellensittiche (Quelle: welli.net) liegt, er hatte Heilsbringer-Qualität im deutschen Fußball. Doch seine Strahlkraft hat nur eine überschaubare Halbwertszeit.

Hansi: DFB-Rapport mit Neuendorf und Watzke

Am Mittwoch traf Bundestrainer Hansi Flick – ganz in schwarz gekleidet – um 14.26 Uhr im Kempinski-Hotel Gravenbruch, in Frankfurt zu einem Treffen (aka Rapport) mit DFB-Präsident Bernd Neuendorf und Verbands-Vize Hans-Joachim Watzke ein. Da musste er Rede und Antwort stehen und nach dem blamablen WM-Aus bereits in der Gruppenphase, ein (sport-)erfolgsversprechendes Konzept für die Heim-EM 2024 präsentieren.

Weg mit der mythischen Aura

Um 17.01 Uhr reiste er laut "Bild" schon wieder ab. Er bleibt Bundestrainer. Aber: Hansi Flick, Berufsbezeichnung Bundestrainer, der darauf besteht, nicht als Hans-Dieter und möglichst auch nicht als Bundestrainer angeredet zu werden, sondern eben als Hansi, hat viel von der mythischen Aura, die ihn nach seinen 18 sagenumwobenen Monaten als er das Helden-Epos mit dem Titel "Hansi" schrieb, umwehte, eingebüßt.

Vom stillen Co-Trainer zum ruhmreichen Coach

Es war eine Cinderella-Geschichte vom stillen Co-Trainer zum Coach, der den ruhmreichen FC Bayern zu sechs Titeln führte und so dem Verein die erfolgreichste Saison, der an Erfolgen so reichen Vereinsgeschichte, bescherte. Damals legte sich der Hansi mit den vermeintlich dunklen Mächten in Form des Sportvorstandes Hasan Salihamidzic beim Abonnement-Meister an, und warf dann entnervt und entgeistert hin, als er nicht so viel Mitsprache in der Transferpolitik bekam, wie er sich das als Erfolgscoach vorstellte.

Flicks schnelle Abgänge

Flick machte da den Flick – den recht schnellen Abgang, wenn er sich nicht (mehr) wohl und wohlgelitten fühlt. Das war beim FC Bayern im Jahr 2021 so. Das war beim DFB nicht anders, als er – nachdem er als Assistenztrainer an der Seite des damaligen Bundestrainers Jogi Löw den WM-Titel in Brasilien mitgewonnen hatte – zum 1. September den Posten des DFB-Sportdirektors übernommen hatte (Fünfjahresvertrag). Doch schon am 17. Januar 2017 schied er auf eigenen Wunsch wieder aus Amt und Würden aus.

Das gleiche Muster bei 1899 Hoffenheim. Mit Beginn der Saison 2017/18 wurde Flick als Geschäftsführer inthronisiert (erneut ein Fünfjahresvertrag), doch nach acht Monaten wurde das Engagement gleich wieder beendet.

Ein sensibler Gefühlsmensch

Flick ist ein sensibler Gefühlsmensch, der zu radikalen Schnitten neigt, wenn die Wohlfühloase, die er um sich herum braucht, um bestens funktionieren zu können, austrocknet – oder ausgetrocknet wird. Er hatte bisher den Vorteil, dass sein Engagement immer auf Coaches folgte, bei denen der kollektive Seufzer der Erleichterung, dass das Kapital beendet wurde, gleich ein gewaltiger Rückenwind für Flick war.

Das war so bei Bayern, als er für Niko Kovac kam, dessen Spielphilosophie nie zu den Bayern passte, der sich in der Mannschaft (Thomas Müller) und im Verein (Karl-Heinz Rummenigge) mächtigen Feinden gegenüber sah. Das war bei Jogi Löw so, der den Abgang als Weltmeister-Trainer versäumt hatte und dessen jogi-aler Art man in Angela-Merkel-Manier einfach müde war.

Der Lack blätterte schnell

Bei Bayern konnte Flick die Euphorie nicht nur mitnehmen, sondern sogar weiter anheizen – bei der Nationalmannschaft startet er zwar mit dem Bundestrainer-Rekord von acht Siegen, doch der Lack blätterte schnell. Das peinliche Aus in der WM-Vorrunde war der erneute Super-GAU (wie schon bei der WM 2018) für den deutschen Fußball – und für Hansi persönlich.

Bierhoffs Abgang trifft Flick schwer

Dass am Montag der DFB und sein Direktor Oliver Bierhoff, der seinen Freund Flick zum Bundestrainer gemacht hatte, getrennt Wege gingen, hat Flick schwer getroffen. "Unsere Zusammenarbeit war immer von Loyalität, Teamgeist, Vertrauen und Zuverlässigkeit geprägt", sagte Flick: "Meinem Trainerteam und mir fällt im Moment die Vorstellung schwer, wie die durch Olivers Ausscheiden entstehende Lücke fachlich und menschlich geschlossen werden kann."

Wunsch nach Mitspracherecht

Flick hasst es, wenn ihm jemand in seine Arbeit reinredet. Er will das letzte Wort haben, redet aber andererseits gerne anderen in deren Arbeit rein, sobald diese Auswirkung auf sein eigenes Schaffen hat. Er würde sicher gerne auch bei der Neubesetzung des Bierhoff-Postens involviert sein.

Flicks Mythos bröckelt gewaltig, der Heiligenschein verblasst. Und wenn der Eindruck entsteht, dass er kein Mann für langfristige Lösungen ist, dass er lieber die Reißleine zieht als sich durchzubeißen, ist der Name Hansi nachhaltig beschädigt.

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