Erst Bankdrücker, dann gesetzt: Tritt Schlotterbeck in die Fußstapfen eines WM-Helden?

Herzogenaurach - Der sintflutartige Schauer im Fränkischen erwischte die deutsche Nationalmannschaft gerade so doch nicht am Donnerstag beim für Fans und Medien geschlossenen Vormittagstraining. "Der Regen war schon heftig, zum Glück haben wir vorher trainiert", sagte Innenverteidiger Nico Schlotterbeck im Nationalelf-Quartier.
Nicht mitmischen konnte Antonio Rüdiger, der sich laut DFB "weiter im Aufbautraining" befindet und immerhin schon wieder mit dem Ball am Fuß üben könnte. Doch das wird eng mit einem Einsatz des Abwehrchefs am Samstag (21 Uhr, ZDF und MagentaTV) im Achtelfinale von Dortmund gegen Dänemark.
Der Profi von Real Madrid hatte sich beim 1:1 gegen die Schweiz eine Zerrung im rechten Oberschenkel zugezogen. "Ich hoffe, dass es bei ihm klappt", sagte Schlotterbeck über Rüdiger, "ich hatte die Verletzung auch schon mal, die ist nicht leicht aus dem Kopf weg zu bekommen."
Schlotterbeck kam zuletzt erstmals unter Nagelsmann zum Einsatz
Der 24-Jährige hatte allerdings gut reden, steht doch sein Einsatz gegen die Dänen fest, da sich Jonathan Tah eine zweite Gelbe Karte eingefangen hat und gesperrt ist. Falls mit Abwehrchef Rüdiger auch der zweite Innenverteidiger ausfällt, dürfte Waldemar Anton (27) nachrücken - mit der Last und dem Druck seines erst zweiten Länderspiels von Beginn an und des allerersten bei einem Turnier.
Schlotterbeck oder "Schlotti", wie der BVB-Profi (seit 2022) von Bundestrainer Julian Nagelsmann genannt wird, war schon am Sonntag in Frankfurt gegen die Schweiz zu einer guten halben Stunde Spielzeit als Tah-Ersatz gekommen. Es war sein 13. Länderspiel, das erste unter Nagelsmann, der ihn weder im Herbst 2023 noch im März berufen hatte.
Schlotterbeck weiß um diese Besonderheit, sagte: "Ich bin der einzige Neue im Kader seit den März-Länderspielen. Ich habe alles gegeben dafür und bin nun happy und stolz, dabei zu sein." Kann Linksfuß Schlotterbeck mit einer überzeugenden Leistung gegen Dänemark - das Weiterkommen vorausgesetzt - im Team bleiben und gar Tah, der bisher das uneingeschränkte Vertrauen von Nagelsmann genoss, verdrängen? Oder bleibt er mit seinem Startelfeinsatz ein einmaliger Lückenfüller? Es liegt an ihm.
Die WM-Patzer gegen Japan hängen Schlotterbeck immer noch nach
Mit einer guten Leistung könnte Schlotterbeck die bösen Geister von Katar 2022 verdrängen, als er bei der WM im ersten Gruppenspiel gegen Japan das bittere Gegentor zur 1:2-Pleite mit-verschuldete.
Darauf angesprochen, merkte man, wie es sehr es Schlotterbeck noch beschäftigt - obwohl er mit seiner Antwort das Gegenteil bekräftigen wollte. "Das Spiel gegen Japan ist jetzt über anderthalb Jahre her, es wird immer noch angesprochen", sagte er und entgegnete den Reportern: "Das heißt: Es verfolgt euch - und nicht mich. Ich kann damit umgehen, habe viel Kritik abbekommen. Mir ist relativ egal mittlerweile, was da passiert ist. Es ist passiert damals, ich wollte nicht, dass es passiert, aber es ist vorbei. Ich konzentriere mich jetzt auf die nächsten Spiele und hoffe, dass es nicht mehr passiert."
Weil er eben nicht als Lückenfüller in die Geschichte dieser Heim-EM eingehen will. Dabei gibt es prominente Beispiele, gerade von Innenverteidigern (früher: Vorstopper), die während eines Turniers in die Stammelf rutschten und unverzichtbar wurden.
Jürgen Kohler könnte für Nico Schlotterbeck zum Vorbild werden
Etwa Jürgen Kohler, der die komplette Vorrunde der WM 1990 in Italien wegen einer Verletzung verpasste, im Achtelfinale dann sein Debüt feierte und beim legendären 2:1 gegen die Niederlande deren Starstürmer Marco van Basten ausschaltete. Ab der K.o.-Runde war Kohler, damals beim FC Bayern, bis zum Finalerfolg gegen Argentinien jede Sekunde auf dem Platz. Ein Vorbild für Schlotterbeck?

Schlechter lief es bei der WM 2014 in Brasilien für Per Mertesacker. Als Stammspieler in der zentralen Abwehr gestartet, rutschte "der Lange" nach dem Achtelfinal-Gewürge gegen Algerien (2:1 nach Verlängerung) auf die Bank und kam in den letzten drei K.o.-Spielen bis zum Triumph nur noch 46 Minuten als Einwechselspieler zum Zuge.