Engel unter Wölfen
Ex-Real-Coach Bernd Schuster übernimmt den VfL Wolfsburg – doch passt er da überhaupt hin? Lorenz-Günther Köstner muss zähneknirschend ins zweite Glied zurück.
Wolfsburg - Diego hat am Donnerstag seinem "Mister Lorenz", wie der Spielmacher den Wolfsburger Interimstrainer Lorenz-Günther Köstner liebevoll nannte, ein letztes Mal die Hand geschüttelt. Dann ging’s in den Urlaub.
"Es herrschen nun klare Verhältnisse: Ich habe mich von jedem Einzelnen verabschiedet. Natürlich ist man traurig, wenn man eine Mannschaft verlässt", sagte Köstner.
Wenn die Spieler am 3. Januar wieder erscheinen, wird aller Voraussicht Bernd Schuster das Sagen haben – immerhin einer, der einst den Ball genauso liebevoll behandelte wie Diego. "Wir wollen es so schnell wie möglich klarmachen", bestätigte Geschäftsführer Klaus Allofs. Der 52-Jährige könnte am Freitag bereits vorgestellt werden, laut Allofs seien zuvor "noch verschiedene Dinge" zu klären.
Vorgabe an den Neuen: "Wir wollen erfolgreich sein, offensiven und organisierten Fußball spielen." Vom Abstiegskampf spricht beim Tabellen-15. komischerweise niemand.
Schuster hatte zuletzt häufig sein Interesse an der Bundesliga artikuliert. "Wolfsburg ist ein interessanter Klub", sagte er. Dem Vernehmen nach geht der Deal mit dem derzeit wieder in Augsburg Beheimateten auf den Volkswagen-Manager Francisco Javier Garcia Sanz zurück, der alles schätzt, was aus Spanien kommt.
Sanz verehrte seinen bereits 2005 und 2010 umgarnten Freund schon, bevor dieser Real Madrid 2008 zum Meister machte. Trotz sonst bescheidener Erfolge als Coach soll der „blonde Engel” gleich einen Vertrag bis 2015 erhalten – was in der Autostadt durchaus mit Kopfschütteln bedacht wird.
In Deutschland hatte der Europameister von 1980 Ende der 90er Jahre schließlich weder bei Fortuna Köln noch dem 1. FC Köln Erfolg. Interessant, dass der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Stephan Grühsem zuletzt angekündigt hatte, einen Wandel einleiten zu wollen, der Glaubwürdigkeit, Nachhaltigkeit und irgendwann auch den Einbau des eigenen Nachwuchses vorsieht.
Inwiefern Schuster solche Werte verkörpert, ist fraglich. Pikant wirkt dabei die Rolle des zuletzt mitunter äußerst schmallippigen Allofs: Er hat zwar in seinen 14 Jahren bei Werder Bremen annähernd 100 Spieler verpflichtet, aber noch nie einen Trainer – seine Wunschkandidaten (Dieter Hecking, Mirko Slomka, Thomas Tuchel) sollen alle schnell Ablehnung signalisiert haben.
"Vor Weihnachten möchte ich wissen, wer nächstes Jahr hier Trainer ist", hatte am Vorabend noch Bas Dost nach dem Einzug ins Pokal-Viertelfinale verlangt. Köstner, der nun wieder ins zweite Glied rückt, hatte seinen Torjäger freudetrunken über den Rasen geschleppt, sich später mit tränenerstickter Stimme für das Vertrauen bedankt.
Der 60-Jährige verbringt die Feiertage in seinem Eigenheim nahe dem schwäbischen Winnenden. Vorher will er noch zerrüttete Männerfreundschaften kitten und die Ex-VfLer Felix Magath, Bernd Hollerbach und Werner Leuthard anrufen: "Dann wünsche ich allen ein frohes Weihnachtsfest."
Und Bernd Schuster wohl solch ein glückliches Händchen, wie er es bei seinem letzten Auftritt beim 2:1 gegen Bayer Leverkusen hatte.