EM-Viertelfinale gegen Spanien: "Deutsche werden Angst vor uns haben"

Tiki-Taka war gestern – die Spielweise der Furia Roja hat sich längst weiterentwickelt. Prunkstück von Deutschlands Viertelfinal-Gegner ist das Mittelfeld um Rodri. "Wir haben die besten Spieler der Welt."
von  Patrick Strasser
Vier Spiele, vier ungefährdete Siege: Spaniens Nationalelf marschiert unter der Regie von Trainer Luis de la Fuente durch das Turnier und will sich auf dem Weg zum anvisierten vierten EM-Titel auch nicht von Gastgeber Deutschland stoppen lassen.
Vier Spiele, vier ungefährdete Siege: Spaniens Nationalelf marschiert unter der Regie von Trainer Luis de la Fuente durch das Turnier und will sich auf dem Weg zum anvisierten vierten EM-Titel auch nicht von Gastgeber Deutschland stoppen lassen. © IMAGO/kolbert-press

Herzogenaurach – Schere besser als: Papier. Logisch. Sie schneidet das Papier. Und damit hatte Nico Williams die kurze Runde des Kinderspiels Schnick, Schnack, Schnuck gegen seinen Kumpel mit der Zahnspange, gegen Lamine Yamal, gewonnen. Der Preis: Der Ältere durfte zuerst aus der Wasserflasche trinken nach dem überzeugenden 4:1-Erfolg im EM-Achtelfinale über Georgien. Williams (21), die eine Hälfte der neuen spanischen Flügelzange, setzte sich durch und genoss lachend mehrere Schlucke der Erfrischung während Yamal, das 16-jährige Wunderkind, schimpfend hinterherstapfte bis er auch an der Reihe war.

"Wir fordern uns ständig heraus, aber wir sind Freunde und haben uns ein bisschen gestritten", sagte Williams wenig später mit einem Augenzwinkern. Sie seien ja ohnehin "wie Brüder" und wie diese teilen, wissen Geschwister oder deren Eltern nur zu gut. "Wir verstehen uns sehr gut. Ich glaube, dass das diese Verbindung auf dem Spielfeld schafft", meinte Williams. Der pfeilschnelle Angreifer von Pokalsieger Athletic Bilbao hat mittlerweile einen Marktwert von 60 Millionen Euro, 17 Länderspiele, drei Tore, eins davon am Sonntagabend in Köln zum 3:1 gegen Georgien.

Spanien begeistert mit spektakulärem Offensivfußball

Williams, der Rechtsfuß auf dem linken Flügel mit der flippigen Rasta-Frisur, ist der eine Teil des "kongenialen Duos" wie ARD-Experte Bastian Schweinsteiger die beiden nannte. Lamine Yamal vom FC Barcelona, der bereits 90 Millionen Euro wertvolle Linksfuß auf dem rechten Flügel hat elf Länderspiele hinter sich, dabei zwei Tore gemacht. Der Top-Dribbler schlägt butterweiche Chip-Flanken wie gegen Georgien auf Fabian Ruiz, der zum 2:1 einköpfte.

Am Freitag (18 Uhr, ARD & MagentaTV) fordern die Flügelflitzer die deutsche Nationalelf im EM-Viertelfinale von Stuttgart – das bedeutet: Showtime und zugleich Alarmstufe Roja für die DFB-Außenverteidiger.

Schweinsteiger bescheinigte den Iberern eine "unheimliche Qualität" in der Startelf und auf der Bank, da die Einwechselspieler wie Dani Olmo "nochmal einen richtigen Schub" gebracht haben. Drei weitere Pluspunkte hat der ehemalige Bayern-Star ausgemacht: Das hohe Tempo, die Passgenauigkeit und die Passschärfe des Teams: Die Analyse des 39-Jährigen: "Sie spielen den Pass so scharf und so genau, dass du als Mitspieler mehr Zeit hast, wenn du ihn annimmst. Und das bewegt etwas im eigenen Spiel und ist schwieriger zu verteidigen. Wenn sie die Passschärfe hochhalten, ist es extrem schwierig, an den Ball zu kommen."

Das Mittelfeld um Rodri, Ruiz und Pedri ist Spaniens Prunkstück

Daher ist das Mittelfeld mit Spielmacher Rodri, dem Dreh- und Angelpunkt, sowie seiner Helfer Ruiz und Pedri das Prunkstück. Davor wirbelt das Duo Yamal/Williams, als Mittelstürmer agierte der erfahrene Alvaro Morata (31), ein Turniertor. Die Schwachstelle der Mannschaft von Trainer Luis de la Fuente trotz der bisher makellosen Bilanz von vier Siegen aus vier Spielen ist die nicht so sattelfeste Abwehr um das baskische Innenverteidiger-Duo Robin Le Normand und Aymeric Laporte – im Vergleich zu den Zeiten von Sergio Ramos. An den Außen verteidigen Dani Carvajal (rechts) und Wuschelkopf Marc Cucurella (links). Im Tor Unai aus Bilbao, der sich in der Nationalelf gegenüber David Raya (Arsenal) durchgesetzt hat.

"Ich glaube, dass wir die beste Mannschaft und die besten Spieler auf der Welt haben. Das heißt nicht, dass wir gewinnen werden, aber wir werden dafür kämpfen", sagte Trainer de la Fuente und ergänzte: "Wir sind längst nicht perfekt, aber wir verbessern uns jeden Tag." De la Fuente hat die Spanier weiterentwickelt, die Spielweise geändert. Das typische "Tiki-Taka" der Glanzzeit (Europameister 2008 und 2012, Weltmeister 2010) blitzt nur noch selten auf, die Mannschaft agiert physischer, mit Tempo über die Außen, die Halbfeldflanken hereinbringen, und einem klaren Zielspieler.

Die "Furia Roja" wird ihrem Namen also mehr und mehr gerecht. "Die Deutschen werden wahrscheinlich ein bisschen Angst vor uns haben", tönte Rodri. Wird also ein heißer Tanz, perdón Flamenco, in Stuttgart.

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