Interview

EM-Gespräch mit Julia Simic: "Das Finale ist Balsam für die italienische Seele"

Ihre Karriere beendete sie gerade erst beim AC Milan: In der AZ spricht die ehemalige Nationalspielerin Julia Simic über die feierenden Tifosi - und wie der Traum vom EM-Sieg gerade ein ganzes Land mitreißt.
Krischan Kaufmann
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Ex-Nationalspielerin Julia Simic.
Ex-Nationalspielerin Julia Simic. © imago images/Sportimage

AZ: Frau Simic, Sie haben zuletzt in Italien gespielt. Können Sie sich vorstellen, was gerade bei den Tifosi nach dem Einzug ins EM-Finale los ist?
JULIA SIMIC: Das war eine wilde Nacht - in ganz Italien! Ich stehe ja mit ein paar Mädels aus der Mannschaft noch in Kontakt, habe auch auf den Sozialen Medien viele Videos ehemaliger Mitspielerinnen gesehen, wie sie in Mailand die ganze Nacht auf den Straßen gefeiert haben. Das sah nach einer richtig guten emotionalen Party aus. Manchmal wünscht man sich, als Deutscher ja auch so leidenschaftlich feiern zu können. Und dann - da geht's ja schon los - haben die Italiener auch noch diese großartige Nationalhymne.

...die die Spieler der Squadra Azzurra auch mit einer unglaublichen Inbrunst vor jedem Spiel mitsingen.
Da bekommt man beim Zuschauen ja fast schon Gänsehaut! Ich könnte mir auch vorstellen, dass diese Leidenschaft beim Singen der Hymne auf den Gegner sogar ein wenig einschüchternd wirkt. Man steht ja direkt daneben und bekommt dann vor dem Anpfiff schon mit, was für ein Leben in dieser italienischen Mannschaft steckt.

"Das war eine wilde Nacht": Nach dem Triumph im Halbfinale gegen Spanien träumt ganz Italien nun vom EM-Sieg.
"Das war eine wilde Nacht": Nach dem Triumph im Halbfinale gegen Spanien träumt ganz Italien nun vom EM-Sieg. © picture alliance/dpa/AP

Gerade dieses berühmte italienische Lebensgefühl hatte zuletzt wegen der Corona-Krise, von der das Land ja besonders schwer betroffen war, doch sehr gelitten. Was haben Sie davon während Ihrer Zeit in Mailand mitbekommen?
Ich habe während des letzten Jahres die Stadt Mailand eigentlich nur als Geisterstadt wahrgenommen. Umso mehr war ich davon beeindruckt, dass die Italiener auch in dieser Zeit eigentlich nie ihr Lächeln verloren haben. Ich bin mir sicher, dass der Erfolg der Squadra Azzurra bei der EM für die italienische Seele wirklich Balsam ist - gerade nach diesem schrecklichen letzten Jahr, wo so viele Menschen in Italien gestorben sind, so viele Familien so gelitten haben. Man kann schon sagen: Das ist ein kleines Fußballmärchen, dass diese Mannschaft gerade für das italienische Volk schreibt.

Was macht dieses Team so außergewöhnlich?
Italien war bei dieser Europameisterschaft von Anfang die Mannschaft, die man so richtig gespürt hat, die emotional da war - und auch einen phänomenalen Teamgeist hat. Natürlich haben sie nicht so viele Weltstars wie zum Beispiel die Franzosen, aber trotzdem tolle Typen in der Mannschaft. Typen wie ihren Kapitän Giorgio Chiellini einen Lorenzo Insigne oder auch Keeper Gianluigi Donnarumma, den ich ja ein bisschen vom AC Milan kenne.

Welchen Anteil hat Trainer Roberto Mancini?
Einen sehr großen. Er hat für diese Mannschaft einen Plan entwickelt, dem sich alle unterordnen - und ihm offenbar auch vertrauen, weil das, was er vorgibt, auch funktioniert.

Und das ziemlich gut sogar. Italien ist inklusive des Halbfinal-Erfolgs gegen Spanien seit 33 Spielen ungeschlagen.
Was er mit dieser Mannschaft seit drei Jahren leistet, ist extrem bemerkenswert. Man kann schon sagen, dass er Italien wachgeküsst hat. Außerdem lässt er einen tollen Offensiv-Fußball spielen - also so ganz anders als man es ja bisher von italienischen Mannschaften kannte.

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Zumindest bis zum Dienstagabend in Wembley, da hat Italien dann plötzlich wieder sehr italienisch gespielt, oder?
Ich habe mich auch gewundert, warum die Italiener nach der 1:0-Führung so defensiv agiert. Das sah tatsächlich schon wieder ein wenig nach Catenaccio aus. Aber man muss auch sagen, dass Spanien in diesem Spiel extrem dominant war.

Zum Schluss noch: Hätten Sie den letzten Elfmeter auch so lässig geschossen wie Italiens Jorginho?
Ich hätte wahrscheinlich eher versucht, den Ball mit Überzeugung ins Tor zu jagen. Wobei es auch von einer gewissen Qualität und vor allem von Selbstbewusstsein zeugt, diesen Elfmeter so lässig reinzustreicheln.

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