Ein 0:0 ist kein 4:4
Deutschland gegen Holland: Da hat jeder sofort zig Bilder und Geschichten vor Augen. Vom Freundschaftskick am 14. November 2012 wird es kein Bild ins kollektive Bewusstsein schaffen. Die Fußball-Großmächte boten eine derart müde Nullnummer, dass der Schiedsrichter am Ende schon kräftig in die Pfeife pusten musste, um alle Weggedämmerten wieder wach zu kriegen. Manuel Neuer gab zu: „Das sah zäh aus.“ Philipp Lahm meinte etwas wirr: „Es gab viel Ballbesitz, auf beiden Seiten.“
Immerhin war Mehmet Scholl in Form. Während Bundestrainer Joachim Löw vorab mit eher biederen Floskeln daher kam („Wir wollen uns mit einem Erfolgserlebnis von unseren Fans verabschieden“), zeigte sich Scholl in der ARD formulierfreudig. Den Ex-Bayern-Trainer Louis van Gaal, nicht gerade sein bester Kumpel, charakterisierte er mit den Worten: „Wenn er Postbote wäre, würde er meinen Hund beißen oder gleich aufessen." Ein schönes Bild.
Ansonsten empfahl er, nach dem turbulenten 4:4 gegen Schweden (nach 4:0-Führung) „nicht alles in Frage zu stellen. Das hätte ja auch 5:2 oder 6:2 ausgehen können, wenn die Mannschaft rechtzeitig das eigene Tor geschützt hätte“. Das tat die neuformierte Löw-Elf (sechs Neue gegenüber dem Schweden-Spiel) in Amsterdam von Beginn an, was zu einer Partie führte, deren Unterhaltungswert Jens Lehmann via Twitter so analysierte: „Das holländische Spiel wird immer langweiliger.“ Mut-, saft- und kraftlos schoben sich die Gastgeber vor 51.000 Zuschauern die Kugel zu.
Löw hatte mit Mario Götze im Sturm für eine kleine Überraschung gesorgt. Viele hatten mit Marco Reus in vorderster Front gerechnet, zumal Löw ihn bei der EM als Alternative zu Klose und Gomez ins Gespräch gebracht hatte. Trotz neun Ausfällen musste Lukas Podolski zunächst auf die Bank und durfte erst ab Minute 70 mitspielen. Für ihn stand U21-Kapitän Lewis Holtby in der Startelf.
Richtung Fußball entwickelte sich der blutleere Kick erst ab der 20. Minute. Götze bot sich die erste Chance, doch Verteidiger Johnny Heitinga klärte im letzten Moment. Sechs Minuten später war es wieder der Dortmunder, der für die Führung hätte sorgen können. Van Gaals Elftal wurde in Halbzeit nur ein Mal vor Keeper Neuer vorstellig: in Gestalt von Arjen Robben. In Minute 30 hatte ihn Ibrahim Affelay mit feinem Pass steil geschickt, doch beim Versuch Neuer zu umkurven, rutschte er weg.
Auf der anderen Seite tat sich wenigstens ab und zu etwas. Reus traf mit einem Schuss aus halblinker Position den Außenpfosten (39.), BVB-Kollege Ilkay Gündokan blieb mit einem Schuss wieder an Heitinga hängen. Dann die Erlösung: der Halbzeitpfiff. Mehmet Scholl fand’s auch „langweilig“, stellte aber fest: „Wir sind eine Klasse besser als die Holländer.“ Und betonte, dass das müde 0:0 von Amsterdam nichts mit dem 4:4 von Berlin verglichen werden kann: „Damals ging es um etwas.“
Es folgte, leider, die zweite Halbzeit. Die erste Torchance ließ bis zur 77. Minute auf sich warten. Diesmal durfte Neuer sich nach einem Schuss von Daryl Janmaat strecken. Das war’s dann auch schon. Und dennoch meinte Lahm: „Wir haben ordentlich gespielt und können zufrieden sein.“ So sah das auch Bundestrainer Löw: „Für mich war dieses Spiel positiv. Wir haben sehr positionstreu und diszipliniert gespielt, eine gute Defensivarbeit verrichtet.“ Wenigstens Mats Hummels gab zu: „Es war sicher kein spektakuläres Spiel.“