"Drahtseilakt": Löw geht 2021 keine Kompromisse ein

Joachim Löw ist wieder da. Mehr als drei Monate nach der Blamage in Spanien spricht der Bundestrainer über seinen EM-Fahrplan. Eines wird ziemlich deutlich: Reinreden darf dem 61-Jährigen niemand.
Von Arne Richter und Jens Mende, dpa |
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Steht vor einem schwierigen Länderspieljahr: Bundestrainer Joachim Löw.
Steht vor einem schwierigen Länderspieljahr: Bundestrainer Joachim Löw. © Tom Weller/dpa
Berlin

Für Joachim Löw steht alles auf dem Spiel. Kompromisse macht der Bundestrainer deshalb keine mehr.

Die Aufgaben gehen weit über die Frage eines möglichen Comebacks der Ex-Weltmeister Thomas Müller (31), Mats Hummels (32) und Jérôme Boateng (32) hinaus.

Das ist nach der ersten Medienoffensive des Bundestrainers im höchst komplizierten EM-Jahr klar. "Dieses Jahr gleicht einem Drahtseilakt. Und es wird sicher so sein, dass die Spieler am Ende der Saison vor Situationen gestellt sind, die sie so nicht kannten", warnte Löw alle seine Turnierkandidaten von Manuel Neuer, über Toni Kroos bis Timo Werner in einem "Kicker"-Interview.

Klar in der Ansprache, offen in der Problembewältigung präsentierte sich Löw auch in einem "Sportschau"-Interview. Die Demütigung der 0:6-Klatsche in Spanien im November will Löw jetzt erst recht als Antrieb nutzen, es seiner sprunghaft gewachsenen Kritikerschar doch noch einmal zu zeigen. "Wir wissen, was wir tun, wir können etwas entwickeln, und wir wollen in diesem Jahr beweisen, dass wir es besser können. Die Situation stachelt mich an, der Ehrgeiz ist geweckt. Oftmals sind es ja gerade die Tiefschläge, die eine neue Energie erzeugen", sagte Löw.

Erste Eckpfeiler hat der keinesfalls amtsmüde wirkende Löw schon klar gemacht. In den drei WM-Qualifikationsspielen gegen Island (25. März), in Rumänien (28. März) und gegen Nordmazedonien (31. März) wird nicht experimentiert und es werden keine künstlichen Verschnaufpausen aus Vereinsinteressen geschaffen. "Das konnte ich im September, Oktober und November machen, aber jetzt müssen wir einen Fokus auf unsere Belange legen. Jetzt müssen wir jeden einzelnen Tag nutzen, den wir noch zusammen haben", sagte der 61-Jährige zu seinem EM-Fahrplan.

Die dramatisch sinkenden Sympathiewerte in der Öffentlichkeit sind das Eine. Die internen Probleme im DFB das Andere. Die räumte Löw auch mal eben energisch ab. Die Kritik bis hinauf zu Präsident Fritz Keller nach dem Desaster von Sevilla hatte den Weltmeister-Coach hart getroffen. Mit seinen Standpunkten machte Löw nun deutlich, dass er sich in seine sportlichen Belange von niemanden reinreden lässt. Rücksicht muss er als ewiger Bundestrainer nicht mehr nehmen.

"Wenn der Präsident oder jemand anders aus dem Präsidium mit mir sprechen will, kann er das natürlich tun, ich bin Angestellter. Aber ich habe von Anfang an gesagt, dass ich nicht komme, um die Niederlage gegen Spanien zu erklären", betonte Löw. Ultimaten, Zielvorgaben und womöglich sogar Konstrukte der sanften Amtsablösung nach der EM? "... es soll nicht überheblich klingen, aber das interessiert mich weniger", sagte Löw - und schloss dabei Anmerkungen von DFB-Direktor und Langzeitbegleiter Oliver Bierhoff mit ein.

Löw will vor seinem möglicherweise dann doch letzten Turnier die Fäden unbedingt in der Hand behalten, nur so hat er seit 2006 funktioniert. Das gilt auch und gerade für die publikumswirksame Dauer-Dreier-Personalie Müller, Hummels & Boateng. Gut 100 Tage vor dem EM-Anpfiff gegen Weltmeister Frankreich am 15. Juni in der Allianz Arena konzentriert sich diese vornehmlich auf den Münchner Gute-Laune-Leithammel Müller.

Löw machte, so die landläufige Interpretation, die Tür wieder weiter auf für ein Sensationscomeback nach mehr als zwei Jahren. Tatsächlich sagte er aber nur das, was er schon ständig tat. Es könne besondere Umstände geben, "die mit Blick auf ein Turnier eine Unterbrechung des Umbruchs rechtfertigen". Eine Rückholaktion wäre für Löw eben kein Kompromiss, sondern eine sportliche Notwendigkeit.

© dpa-infocom, dpa:210301-99-640619/3

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  • am 02.03.2021 07:04 Uhr / Bewertung:

    Naja, früher war dpa - fast amtlich. Heute dienen auch diese "Wahrheitsmeldungen" Interessen und Wahrscheinlich Auftragsgebern. Wer kann schon ernstgenommen werden, wenn er vor allem Boateng und Müller anstelle junger Spieler sehen will. Wie konnte die Freie Presse eigentlich sich selbst so ins Abseits stellen. Nicht nur im Sport, Einwanderungspolitik, Verteidigungspolitik, Volkswirtschaft, Aufgabe der Sozialen Marktwirtschaft, Hochjubelns von Politikern, die sich selbst kluges Handeln bestätigen, anstelle bodenloser Hinterwäldlerei und Provinzonkeltums.

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