Kommentar

Die Selbstdemaskierung des Gianni Infantino

Der AZ-Sportchef über den Auftritt von Fifa-Boss Infantino.
Matthias Kerber
Matthias Kerber
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
4  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News

Lieber Herr Infantino,  mit Verlaub: Sie sind nicht homosexuell, Sie sind nicht behindert, Sie sind kein Araber, kein Katarer, Sie sind nicht afrikanisch, Sie sind kein Arbeitsmigrant. Sie sind ein Machtmensch, der einmal rote Haare und Sommersprossen hatte.

Nur, weil Sie glauben, aufgrund dieser Physiognomie auch mal gemobbt worden zu sein, haben Sie trotzdem nicht die leiseste Idee davon, was es heißt, wenn man in Katar homosexuell ist, was es bedeutet, ein Arbeitsmigrant zu sein, der um sein Leben, sein Überleben kämpfen muss.

Missachtung für die Realität

Aus Ihnen spricht nicht die Ahnung, sondern die selten so demaskierend zur Schau getragene Ahnungslosigkeit, die Abgehobenheit derer, die nicht nur eine vollkommene Missachtung für die Realitäten haben, sondern mit "alternativen Fakten" ein Paralleluniversum jenseits der Wahrheit erschaffen, eine Bubble der Selbstgerechtigkeit, der Amoral. Donald Trump lässt grüßen.

Die Bürde der eigenen Geschichte

Ja, Sie haben recht, wenn Sie feststellen, dass die Geschichte Europas auch von Gewalt, Kolonialismus, Verbrechen geprägt ist. Daraus aber abzuleiten, dass sich die Europäer 3.000 Jahre entschuldigen müssen, bevor wir anfangen, moralische Ratschläge zu verteilen, ist absurd, abstrus, hanebüchen. Gerade diese Bürde der eigenen Geschichte und Verbrechen ist Auftrag, sich mit den Opfern, den Unterdrückten zu solidarisieren, alles zu tun, damit sich dieses Leid nicht weiter fortsetzt.

Lesen Sie auch

Nachhaltig? 

Sie echauffieren sich, dass der Westen in seiner heuchlerischen Doppelmoral die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Katar und damit die Erfolge der Zusammenarbeit der Fifa mit zweifelhaften Machthabern nicht würdigt? Zur Erinnerung: Die Nachhaltigkeit des Einflusses der Fifa hat man gerade an Russland, Gastgeber der WM 2018, gesehen. Wenn das Ihr Erfolg ist, will man Ihre Misserfolge bitte nie erleben.

Ihr Auftritt jetzt war zynisch, unwürdig. Man müsste Sie dafür in die Wüste schicken. Aber: Das trauen sich die Fifa-Delegierten bei der Wahl im März 2023 sowieso nicht. Oder anders gesagt: Sie werden sicher noch lange im Amt, aber ohne Würde sein.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
4 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Der wahre tscharlie am 21.11.2022 16:15 Uhr / Bewertung:

    Chapeau! Bei diesem Kommentar kann man jeden Satz unterschreiben. Besonders diesen, "Ihr Auftritt jetzt war zynisch, unwürdig. Man müsste Sie dafür in die Wüste schicken."
    Und der Hinweis mit Russland ist vollkommen korrekt. Was hat da die FIFA erreicht? Nicht. Null. Nothing. Nada.
    Alles Aussagen von den FIFA-Oberen, denen jeglicher Bezug zum wirklichen Leben fehlt.
    Und ja, ich würde ihn auch in die Wüste schicken......zum Sand zusammenkehren und jeden Abend muß er in derselben Unterkunft schlafen, wie die Wanderarbeiter.

  • Sachsenlöwe am 21.11.2022 12:30 Uhr / Bewertung:

    Bravo!

  • Radio Pähl am 21.11.2022 10:37 Uhr / Bewertung:

    Es ist eigentlich ganz klar! Die Medien bleuen uns tagtäglich ein, dass Katar und der Infantino das Allerletzte sind was es auf diesem Planten gibt! Da traut sich auch schon gar keiner mehr irgendetwas dagegen zu sagen! Eine gnadenlose und völlig undifferenzierte Hetze, wie man sie in der bundesdeutschen Medienlandschaft alle paar Jahre mal erlebt. Auch die Spieler trauen sich schon lange nicht mehr irgendwas dagegen zu sagen, sondern sondern pflichtschuldig ab, was die Journalisten hören wollen. Sie sollten daher ganz schnell machen und nach der Vorrunde wieder ganz hurtig abhauen aus diesem Abgrund der Verdorbenheit Namens Katar. Keiner hier will diese WM, also kann es nur gut sein 3 x zu verlieren und dann nichts wie weg. Was der Infantino da kürzlich geradebrecht hat, war schon etwas strange, aber in zwei Aussagen hat er völlig recht: Diese Arroganz und Heuchelei, gerade hier in Deutschland, das ist schon fast nicht mehr auszuhalten.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.