"Die Probleme haben wir irgendwo anders gehabt"
Der Versuch mit der Dreier-Abwehrkette war nicht so sehr von Erfolg gekrönt, doch Bundestrainer Löw ist zufrieden. Gegen Holland ist die Aufstellung aber eine andere.
Kiew/Hamburg - Für Joachim Löw war Kiew auf dem Weg zur Fußball-EM allemal eine Reise wert. „Viel Positives“ nahm der Bundestrainer mit vom turbulenten Probelauf im Endspielstadion 2012, auch wenn sein gewagtes Experiment mit einer Abwehr-Dreierkette beim 3:3 (1:3) gegen die Ukraine beinahe krachend gescheitert wäre. Doch sein blutjunges Team bewies „gute Moral“ – und gegen Erzrivale Niederlande soll mit einem bewährten Spielsystem und Stammkräften wie Torwart Manuel Neuer, Abwehrchef Per Mertesacker und dem bis Dienstag (20.45 Uhr/ZDF) womöglich auch wieder fitten Torjäger Miroslav Klose das Jahr erfolgreich ausklingen.
„Es gibt sicher keine Dreierkette gegen Holland“, kündigte Löw schon auf der Heimreise am Samstag an. Die Erkenntnisse beim verrückten, teilweise naiven und später äußerst engagierten Auftritt im EM-Gastgeberland bewertete Löw als ungemein wertvoll. Auch den verblüffenden Versuch mit einer Dreierreihe in der Abwehr, mit der das Nationalteam zuletzt 2002 unter Rudi Völler agiert hatte, wollte er nicht als fehlgeschlagen bewerten. „Ich war sehr zufrieden, absolut, auch wenn ich jetzt vielleicht einer der wenigen bin“, sagte Löw. Die Gegentore von Andrej Jarmolenko (28.) und Sergej Konopljanka (36.) seien aus Kontern nach eigenen Eckbällen entstanden. Und Treffer Nummer drei war ein Sonntagsschuss von Sergej Nasarenko (45.). „Ob Hummels, Boateng oder Badstuber, die haben das in vielen Situationen gut gemacht. Die Probleme haben wir irgendwo anders gehabt, aber nicht in der Dreierkette hinten“, urteilte Löw. Die Gegentore hätten „nichts mit dem System zu tun gehabt“, meinte auch Mats Hummels, der betonte: „Das konnte noch nicht alles reibungslos funktionieren.“ Zumal der Bundestrainer seine im Schnitt 22,72 Jahre junge Startelf mit der System-Umstellung bewusst ins kalte Wasser geworfen hatte. „Wir wurden auch überrascht, haben erst in der Mannschaftssitzung davon erfahren“, verriet Hummels. „Das war heute ein bisschen auf gut Glück“, bemerkte Thomas Müller, der die deutsche Mannschaft mit dem 3:3 in der 77. Minute vor der ersten Auswärtsniederlage seit über fünf Jahren bewahrte (1:4 in Italien).
Zuvor trafen Toni Kroos (38.) und Simon Rolfes (65.). Weil Klose wegen einer Sehnenentzündung im Knie ausfiel und damit der ursprünglich geplante Test mit zwei Spitzen hinfällig wurde, „war in der Woche die Idee gereift, hinten einmal auf eine Dreierkette umzustellen“, wie Löw erzählte. „Ich habe sie deswegen getestet, um den Ernstfall vor dem Ernstfall zu proben.“ Bei der EM will Löw für alle Eventualitäten gewappnet sein. „Positiv war, dass wir das Spiel noch gedreht haben“, betonte der eingewechselte Lukas Podolski gelassen: „Wenn wir 5:0 gewonnen hätten, hätten alle gesagt, das ist jetzt unser EM-System. Man sollte nicht alles schlecht sehen.“ Man habe sich „ein bisschen ungeschickt angestellt“, räumte Dortmunds Ausnahmetalent Mario Götze ein. Statt erstmals gemeinsam mit Mesut Özil in der Startformation zu zaubern, agierten die beiden Supertechniker auf dem Platz eher als Solisten. Für die offensiven Akzente sorgte der hinter Özil/Götze agierende Kroos. „Toni war überragend gut. Bei ihm sind viele Fäden zusammengelaufen. Er hat die Mannschaft nach vorne mitgezogen“, lobte Löw den 21-Jährigen. „Das Spiel hat gezeigt, dass wir noch nicht da sind, wo wir hinwollen“, bilanzierte Kroos.
Neben ihm durfte auch Ron-Robert Zieler sein Länderspieldebüt unter dem Strich als halbwegs gelungen einstufen. „3:3 ist nicht das Wunschergebnis des Torwarts“, sagte der 22 Jahre alte Hannoveraner, für den die erste Hälfte ein Alptraum war. Erstmals seit dem 1:4 in Italien am 1. März 2006 hatte das DFB-Team drei Treffer vor der Halbzeit kassiert. „Kopf hoch, Brust raus – es geht weiter“, sagte Torwarttrainer Andreas Köpke in der Kabine zu Zieler, der dann zuerst gegen Andrej Schewtschenko (50.) das 1:4 und in der Nachspielzeit gegen Marko Dewitsch die Niederlage vereitelte. „Nach der Pause hat er zwei Tore verhindert. Von daher war das Debüt absolut zufriedenstellend“, lobte Löw den 50. Neuling in seiner Amtszeit.