Die Karriere, die am Tod von Robert Enke zerbricht
HANNOVER - Weil er das traumatisierte 96-Team nicht zu Siegen führte, wird Bergmann durch Slomka ersetzt.
Nun also doch. Drei Tage nach der peinlichen 0:3-Heimpleite gegen Hertha BSC hat Hannover 96 Andreas Bergmann (50) beurlaubt. Er wird als jener Trainer in Erinnerung bleiben, dessen nur kurze Bundesliga-Karriere an der Tragödie um Robert Enke († 32) zerbrochen ist.
Das Team von Hannover 96 taumelt seit dem Suizid des depressiven Torhüters von einer Niederlage zur nächsten und ist auf Platz 16 abgerutscht. „Wir hatten nicht mehr das Gefühl, dass Andreas Bergmann der Mannschaft noch die nötigen Impulse für den Verbleib in der Bundesliga geben kann“, sagte Sportdirektor Jörg Schmadtke.
Am Abend stellte Hannover Mirko Slomka (42) als neuen Coach vor. Slomka war von 1989 bis 1999 Jugend- und von 2001 bis 2004 Assistenztrainer bei 96 gewesen. Nach seinem Rauswurf als Schalke-Trainer war er zuletzt 646 Tage arbeitslos. Slomka: „Ich Freude mich auf die Herausforderung in meiner Heimat.“
Ob sich die ohnehin sensible Mannschaft auch freut? Auf Bergmanns Rauswurf reagierte sie betroffen. „Wir haben alle ein schlechtes Gewissen und müssen uns schämen", sagte Kapitän Arnold Bruggink. Der Truppe war es nicht gelungen, einen Trainer, der nach der Enke-Tragödie äußerst behutsam mit ihr umgegangen war, mit Erfolgen den Arbeitsplatz zu erhalten.
„Das Thema Enke spielt keine Rolle mehr. Uns fehlt auf dem Platz das Selbstvertrauen“, versicherte Spielmacher Bruggink zwar. Tatsächlich hatte es in Hannover aber die Order gegeben, über die Trauer um Enke nicht mehr öffentlich zu sprechen. Das riesige Trikot, das unter dem Stadiondach zu Ehren des Torwarts aufgehängt worden war, hatte die Vereinsführung zum Start in die Rückrunde entfernen lassen. Man hatte versucht, die Mannschaft damit vom Druck zu befreien und ihr eine Ausrede für weitere Niederlagen zu nehmen.
Doch wirkt das Team immer noch mental und physisch überfordert. Um den Sturz in die Zweitklassigkeit zu verhindern, hat die Vereinsführung zuletzt sogar zu recht rabiaten Mitteln gegriffen. Klubchef Kind hat die offensichtlich traumatisierte Mannschaft aufgefordert, auf dem Platz endlich wieder „zu rennen, zu spucken und zu kämpfen“. Und Bergmann war unmissverständlich mit auf den Weg gegeben worden, härter als bisher durchzugreifen.
Aber der einfühlsame Mann, der im August 2009 als Nachfolger von Dieter Hecking vom Amateur- zum Profitrainer befördert worden war, konnte und wollte die Rolle des harten Hundes nicht annehmen. „Wir müssen uns jetzt eben auf einen neuen Mann einlassen. Es steht uns nicht zu, darüber zu urteilen, wer in dieser Situation der richtige Trainer für diese Mannschaft ist“, sagte Mittelfeldspieler Hanno Balitsch.
Slomka wird Fingerspitzengefühl benötigen, um den richtigen Ton zu finden. Die Führungsspieler hätten gern mit Bergmann weiter gearbeitet. Dass Manager Schmadtke zuletzt angedroht hat, nicht leistungswillige Spieler rauszuwerfen, macht die Arbeit mit dem Team nicht einfacher. Dass die Tragödie um Robert Enke dazu führt, dass in Hannover noch weitere Entlassungen ausgesprochen werden, ist jedenfalls nicht auszuschließen.
Christian Otto