Die große EM-Party: Vom Tiger zum Römer
Die DFB-Frauen feiern ausgelassen ihren EM-Titel – und freuen sich auf die WM 2011. Aber jetzt will keiner mehr mit ihnen spielen.
FRANKFURT Als sie oben am Balkon standen und aus den Boxen die unvermeidliche Champions-Hymne dröhnte, da lagen sie sie noch einmal in den Armen. Die Europameisterinnen, die sich von den 5000 Fans unten am Frankfurter Römer feiern ließen, und von denen viele dunkle Brillen aufhatten. Das lag am weniger an der Spätsommersonne als viel mehr an den Nachwehen der langen Partynacht in Helsinki.
Bis vier Uhr morgens tanzten und sangen die deutschen EM-Heldinnen ausgelassen im exklusiven Club „The Tiger“ in Helsinki und stießen auf den siebten Titel an. „Das war eine kurze Nacht, aber eine wunderschöne“, sagte EM-Torschützenkönigin Inka Grings, in der sich gerade die jungen Nationalspielerinnen wie Bianca Schmitt (19) und Babett Peter (21) kaum vom EM-Pokal trennen konnten.
Und bei aller Euphorie von DFB-Präsident Theo Zwanziger, der schon in Pathos schwelgte („Sie haben diesen Titel auch für die gesamte Gesellschaft gewonnen“), ordneten die Routiniers des Teams den Titel realistischer ein. „Europameister ist gut, aber nicht so gut wie der WM-Titel“, sagte etwa die Duisburgerin Simone Laudehr.
Womit klar war, die EM war nur die Ouvertüre für das große Festspiel in zwei Jahren, die WM im eigenen Land.
Doch bis dahin gibt es noch viele Probleme. Als Weltmeister und Gastgeber ist Deutschland automatisch qualifiziert, das nächste Pflichtspiel ist erst am 26. Juni 2011 im Berliner Olympiastadion: das Eröffnungsspiel der WM.
Es gibt also nur Testspiele, wenn überhaupt. Nur ein Termin steht bisher fest, am 29. Oktober in Augsburg gegen die USA, denn: Sonst will keiner mehr mit den Deutschen spielen. Die DFB-Truppe ist ihnen einfach zu gut.
Schon vor der EM lehnten viele europäische Mannschaften Freundschaftsspiele ab, weil sie sich nicht abfieseln lassen wollten. „Es ist echt schwierig, Gegner zu finden“, murrte auch Steffi Jones, die Präsidentin des WM-OK. So muss der Welt- und Europameister schon weit reisen, um noch Teams zu finden, die sich mit ihm messen wollen.
Für Mai 2010 etwa ist eine Nordamerika-Reise geplant, insgesamt sind fünf Auswärtsspiele vorgesehen.
Die aber allesamt ohne Kerstin Stegemann. Nach 191 Länderspielen, zwei WM- und fünf EM–Titeln wurde sie von Bundestrainerin Silvia Neid recht kühl abserviert. Stegemann werde ihre Karriere beenden, sagte die Bundestrainerin nach dem Halbfinale, wenn sie ein Abschiedsspiel wolle, dann müsse sie das gefälligst selbst organisieren.
Immerhin bei der Feier am Römer lagen sie sich am Freitag noch in den Armen. Doch noch ein versöhnliches Ende. Vielleicht waren sie nach der langen Party auch einfach zu schwach zum Streiten. Gregor Derichs
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